VG 10
A 255.05
VERWALTUNGSGERICHT BERLIN
URTEIL
Im Namen des
Volkes
In der
Verwaltungsstreitsache
Klägerin,
Verfahrensbevollmächtigte(r)
:
g e g e n
die Bundesrepublik Deutschland,
vertreten durch
Umweltbundesamt,
Deutsche Emissionshandelsstelle,
Bismarckplatz 1, 14193
Berlin,
Beklagte,
hat das Verwaltungsgericht Berlin, 10. Kammer,
aufgrund
der mündlichen Verhandlung vom 7. April 2006 durch
den
Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht
die Richterin
den Vorsitzenden
Richter am Verwaltungsgericht
die ehrenamtliche Richterin sowie
die
ehrenamtliche Richterin
für Recht erkannt:
Die Klage wird
abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das
Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil zu
vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages
leistet.
Die Berufung und die Sprungrevision werden
zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Kürzung
der ihr zugeteilten Berechtigungen nach dem Treibhausgasemissionshandelsgesetz
bzw. dem Zuteilungsgesetz 2007.
Im sog. Kyoto-Protokoll vom Dezember 1997
verpflichteten sich die Europäische Union sowie ihre einzelnen Mitgliedsstaaten
zu einer Reduzierung ihrer Treibhausgasemissionen. Zur Erfüllung dieser
Verpflichtung einigten sich die EU-Mitgliedsstaaten untereinander auf eine
Lastenverteilung (sog. Burden-sharing-agreement), welche den Mitgliedsstaaten
unterschiedliche Klimaschutzziele vorgibt. Die Beklagte muss nach der
Lastenvereinbarung ein Emissionsminderungsziel von 21 % gegenüber 1990 erfüllen.
Durch die sog. Emissionshandelsrichtlinie vom 13. Oktober 2003 wurden die
Mitgliedsstaaten der EU zur Einführung eines anlagenbezogenen
Emissionshandelssystems in den Sektoren Energiewirtschaft und energieintensive
Industrie verpflichtet. In der Bundesrepublik wurden zur Umsetzung der
Emissionshandelsrichtlinie u.a. das Gesetz über den Handel mit Berechtigungen
zur Emission von Treibhausgasen (TEHG) sowie das Gesetz über den nationalen
Zuteilungsplan für Treibhausgas-Emissionsberechtigungen in der Zuteilungsperiode
2005 bis 2007 (ZuG 2007) erlassen. Während das TEHG den Rahmen für den
Emissionshandel insgesamt vorgibt, legt das ZuG jeweils für eine
Zuteilungsperiode die konkreten Allokationsregeln fest. Das Grundprinzip des
Emissionshandels besteht darin, zur Einhaltung der international eingegangenen
Verpflichtungen auf nationaler Ebene eine Obergrenze für die Emission von
Kohlendioxid festzulegen, welche dann durch die Ausgabe von sog. Berechtigungen
auf die einzelnen Anlagenbetreiber verteilt wird. Im Folgejahr muss der
Anlagenbetreiber eine der Menge der von ihm verursachten CO2-Emissionen
entsprechende Menge an Berechtigungen abgeben. Reicht die Menge der zugeteilten
Berechtigungen im Einzelfall nicht aus, so hat der Anlagenbetreiber die Wahl,
seine Emissionen entweder durch Modernisierungsmaßnahmen selbst zu vermindern
oder auf dem Markt zusätzliche Berechtigungen zu erwerben.
Die Klägerin
ist ein Unternehmen der Energiewirtschaft und betreibt u.a. am Standort
H_____das Kraftwerk S_____. Sie wendet sich im Rahmen von Musterverfahren
zusammen mit den Klägerinnen der Verfahren VG 10 A 276.05, VG 10 A 435.05 und VG
10 A 444.05 gegen eine konkrete Zuteilungsregel, die eine Vielzahl von
Anlagenbetreibern betrifft. § 4 Abs. 4 ZuG 2007 sieht für den Fall, dass die
Gesamtmenge der zuzuteilenden Berechtigungen (mit Ausnahme der nach § 11 für
Neuanlagen zuzuteilenden Berechtigungen) pro Jahr den Gegenwert von 495 Mio.
Tonnen Kohlendioxid übersteigt, vor, dass die vorgenommenen Zuteilungen an die
Anlagen, die dem sog. ersten Erfüllungsfaktor unterliegen, anteilig gekürzt
werden.
Nach Berechnungen der Beklagten ist es für die erste
Zuteilungsperiode zu einer Überschreitung um 42 Mio. Tonnen, also von 14 Mio.
Tonnen pro Jahr gekommen. Deshalb wurde bei der Klägerin die Zuteilung neben der
Kürzung gemäß § 5 ZuG 2007 unter Berufung auf § 4 Abs. 4 ZuG 2007 um weitere ca.
4,62 % gekürzt.
Die Klägerinnen in den Musterverfahren halten die
anteilige Kürzung für rechtswidrig und begehren die Zuteilung von zusätzlichen
Berechtigungen.
Sie sind der Ansicht, das Emissionshandelssystem sei
bereits insgesamt gemeinschaftsrechtswidrig, da es in die Nutzungsbefugnis an
Produktionsanlagen und in die gemeinschaftsrechtlich geschützte Berufsfreiheit
eingreife und dieser Eingriff mangels Übergangs- und Härtefallregelungen nicht
zumutbar sei.
Darüber hinaus meinen die Klägerinnen, § 4 Abs. 4 ZuG 2007
werde den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen der Emissionshandelsrichtlinie
nicht gerecht, da insbesondere das dort geregelte Transparenzgebot verletzt
werde. Der einzelne müsse in der Lage sein, die exakte Anzahl der ihm
zuzuteilenden Berechtigungen selbst zu ermitteln, was im Rahmen von § 4 Abs. 4
ZuG 2007 nicht gewährleistet sei. Ferner würden im Rahmen von
§ 4 Abs. 4 ZuG
2007 die individuellen Emissionsminderungspotentiale der einzelnen Anlagen nicht
beachtet, wie dies jedoch von der Emissionshandelsrichtlinie gefordert
werde.
Zudem verstoße § 4 Abs. 4 ZuG 2007 gegen deutsches
Verfassungsrecht.
Die anteilige Kürzung des § 4 Abs. 4 ZuG 2007 stelle als
wirtschaftslenkende Maßnahme zunächst einen Eingriff in die durch Art. 12 GG
garantierte Berufsfreiheit in Form einer Berufsausübungs- bzw. gar einer
Berufswahlregelung dar. Dieser Eingriff sei rechtswidrig, da er nicht durch
ausreichende Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt und darüber hinaus
unverhältnismäßig sei. Die Klägerinnen meinen weiter, die Vorschrift des § 4
Abs. 4 ZuG 2007 sei bereits nicht geeignet, um das mit ihr und dem ZuG 2007
insgesamt verfolgte Ziel zu fördern.
Die in § 4 Abs. 4 ZuG 2007
vorgesehene anteilige Kürzung sei darüber hinaus auch nicht erforderlich. Dies
ergebe sich schon daraus, dass sie weder in der Emissionshandelsrichtlinie, noch
im ersten Gesetzentwurf des ZuG vorgesehen gewesen sei. Von der
Systementscheidung des europäischen Gesetzgebers für den Emissionshandel sei sie
nicht erfasst. Belegt werde dies im Übrigen dadurch, dass keiner der nationalen
Allokationspläne der 24 übrigen Mitgliedsstaaten eine solche anteilige Kürzung
enthalte.
Außerdem sei die anteilige Kürzung nur dann erforderlich, wenn
das nationale Emissionsziel als starre Obergrenze anzusehen sei. Dies lege zwar
das dem Emissionshandel zugrunde liegende Prinzip des „cap and trade“ nahe; dem
Wortlaut und der systematischen Stellung nach handele es sich jedoch bei dem
nationalen Emissionsziel um eine unverbindliche Vorgabe bzw. um einen
„Programmsatz“, der eine bloße staatliche Selbstverpflichtung begründe. Darüber
hinaus sei die durch den Gesetzgeber vorgenommene Mengenplanung auch deshalb
fehlerhaft, weil das Mengengerüst auf der Grundlage einer freiwilligen
Datenerhebung der Anlagenbetreiber ermittelt worden sei, ohne dass diese Angaben
auf ihre Richtigkeit überprüft worden wären. Damit genüge die Mengenplanung
nicht den vom Bundesverfassungsgericht an Prognoseentscheidungen gestellten
Anforderungen.
Die anteilige Kürzung sei auch insoweit nicht
erforderlich, als die Beklagte durch den staatlichen Ankauf von Berechtigungen
oder Emissionsgutschriften aus Joint-implementation (JI)- oder
Clean-development-mechanism (CDM)-Projekten, den sog. flexiblen Mechanismen, für
die Einhaltung des Ziels Sorge tragen könne, was in den Allokationsplänen
anderer Mitgliedsstaaten auch ausdrücklich vorgesehen sei. Als milderes Mittel
wäre darüber hinaus auch die verstärkte sektorenbezogene Allokation in Betracht
zu ziehen gewesen.
Darüber hinaus verletze § 4 Abs. 4 ZuG 2007 das
Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 GG. Der mit der Einführung des Emissionshandels
erfolgte grundlegende Systemwechsel stelle einen rechtswidrigen Eingriff in
bestandskräftige Eigentumspositionen dar.
Die Klägerin in dem Verfahren
VG 10 A 444.05 meint darüber hinaus, sie sei im Vergleich zu ihren Wettbewerbern
in besonderem Maße von der anteiligen Kürzung betroffen, da sie
überdurchschnittlich viele Bestandsanlagen besitze und so der Umfang der
anteiligen Kürzung absolut gesehen besonders hoch ausfalle. Darüber hinaus sei
sie als Betreiberin eines emissionsstarken Braunkohlekraftwerks in quantitativer
Hinsicht stärker betroffen als andere Anlagenbetreiber. Hinzukomme schließlich,
dass sie in naher Zukunft weite Teile ihrer Anlage stillzulegen gedenke, weshalb
sich für sie Investitionen in Emissionsverminderungsmaßnahmen nicht mehr
amortisieren könnten und ihr damit die vom Emissionshandelssystem vorgesehene
Wahlmöglichkeit zwischen Zukauf von Berechtigungen und emissionsvermindernden
Modernisierungen genommen werde.
Darüber hinaus sei die Regelung des § 4
Abs. 4 ZuG 2007 in Ermangelung einer spezifischen Härtefallregelung, welche eine
Ausnahme von der anteiligen Kürzung vorsehe, verfassungswidrig. Die
Härtefallvorschriften der § 7 Abs. 10 und 11 ZuG 2007 stellten keine geeignete
Kompensationsmöglichkeit dar, da im Zeitpunkt der Antragstellung für die
Betreiber noch nicht absehbar gewesen sei, ob und in welcher Höhe eine anteilige
Kürzung vorgenommen werden würde.
Weiterhin verstoße die Regelung des
Art. 4 Abs. 4 ZuG 2007 gegen das aus Art. 20 Abs. 3 GG resultierende
Rechtsstaatsprinzip. Zum einen sei die Regelung zu unbestimmt und entspreche
nicht den Anforderungen an Normklarheit und Widerspruchsfreiheit, da sich dem
Normadressaten die auf ihn zukommende Belastung nicht in konkreter Weise
erschließe. Darüber hinaus sei aufgrund der Formulierung unklar, welche Anlagen
überhaupt von der Kürzung erfasst würden und wie sich die Gesamtmenge der
zuzuteilenden Berechtigungen errechne.
Schließlich sei § 4 Abs. 4 ZuG
2007 auch deshalb verfassungswidrig, weil die Anwendung der anteiligen Kürzung
zu gleichheitswidrigen Ergebnissen führe. Zunächst komme es zu Lasten von
Energie und Industrie zu einer Verschiebung zwischen den einzelnen
volkswirtschaftlichen Sektoren, da derzeit nur diese vom Emissionshandel erfasst
seien. Darüber hinaus würden innerhalb der betroffenen Sektoren Neuanlagen ( §
11 ZuG 2007), jüngere Bestandsanlagen ( § 8 ZuG 2007) und solche, die nach 1994
bestimmte Emissionsminderungsmaßnahmen durchgeführt hätten (§ 12 ZuG 2007),
gegenüber den Bestandsanlagen bevorzugt, da auf diese Anlagen die anteilige
Kürzung des § 4 Abs. 4 ZuG 2007 nicht angewandt werde. Dabei würden auch die
unterschiedlichen Emissionsminderungspotentiale der einzelnen Sektoren und
Anlagen nicht berücksichtigt. Mit der undifferenzierten Anwendung der anteiligen
Kürzung des § 4 Abs. 4 ZuG 2007 habe der Gesetzgeber eine unzulässige
Typisierung vorgenommen. Eine ausgewogene Lastenverteilung sei jedoch ohne
weiteres möglich gewesen. Die Höhe des Kürzungsfaktors zeige, dass die
Austarierung der Zuteilungsregeln nicht gelungen sei.
Weiterhin sei auch
die konkrete Anwendung der in § 4 Abs. 4 ZuG 2007 vorgesehenen Kürzung
rechtswidrig. Zum einen seien die Tatbestandsvoraussetzungen der Norm nicht
gegeben, da überhaupt nicht gesichert sei, dass es tatsächlich zu einer
Überschreitung der Gesamtmenge gekommen sei bzw. kommen werde. Dies ergebe sich
in keiner Weise aus den Bescheiden oder aus sonstigen, der Öffentlichkeit
zugänglichen Dokumenten. Eine Überschreitung sei sogar unwahrscheinlich, weil
unklar sei, inwieweit die Prognosen der sog. Optierer zuträfen. Es könne davon
ausgegangen werden, dass einige Unternehmen eine überhöhte Prognose abgegeben
hätten und deshalb im Rahmen der vorzunehmenden Ex-Post-Korrektur Rückflüsse im
großen Stil zu erwarten seien. Die Beklagte habe nicht dargelegt, inwieweit sie
die vorgelegten Produktionsprognosen der Optionsanlagen überprüft habe. Einige
Klägerinnen meinen, die Optionsanlagen hätten überhaupt nicht in die Berechnung
der zuzuteilenden Gesamtmenge eingestellt werden dürfen, da bei ihnen die
Zuteilung nach § 11 ZuG 2007 erfolge. Bei der Berechnung der Kürzung handele es
sich um eine rein administrative Entscheidung, die das Gericht in vollem Umfang
im Einzelnen rechnerisch nachzuprüfen habe.
Es sei weiterhin davon
auszugehen, dass etliche Zuteilungsentscheidungen rechtswidrig gewesen seien,
weshalb es im großen Stil zu Fehlallokationen an andere Anlagenbetreiber
gekommen sei. Erst durch diese rechtswidrigen Überallokationen sei es zur
Notwendigkeit der anteiligen Kürzung gekommen.
Schließlich ergebe sich
auch aus dem Hinweis der Beklagten in sämtlichen, von der anteiligen Kürzung
gemäß § 4 Abs. 4 ZuG 2007 betroffenen Zuteilungsbescheiden an Bestandsanlagen,
dass aufgrund der durch die Kürzung entstandenen Härten für die betroffenen
Anlagen eine Sonderzuteilung von 30 Mio. t Kohlendioxid in der nächsten
Zuteilungsperiode geplant sei, dass in Wirklichkeit gar keine Überschreitung des
Budgets vorliege, da ansonsten das Burden-sharing-Ziel nicht erreicht werden
könne.
Weiterhin sei der von der Beklagten für die Kürzung gewählte
Zeitpunkt nicht in verfassungskonformer Weise gewählt. Da erst am Ende der
Zuteilungsperiode die endgültige Zahl der zuzuteilenden Berechtigungen
feststehe, dürfe die anteilige Kürzung auch erst zu diesem Zeitpunkt bzw. erst
nach Bestandskraft aller Zuteilungsbescheide erfolgen. Die Beklagte sei jedoch
zumindest verpflichtet gewesen, eine Hochrechnung über die voraussichtlich
zurückfließenden Berechtigungen anzustellen und diese in die Berechnung des
Kürzungsfaktors einzustellen.
Die Klägerinnen gehen weiter davon aus,
dass der Kürzungsfaktor auch deshalb falsch berechnet sei, weil es während des
Verlaufs der Zuteilungsperiode immer wieder zu deutlichen Rückflüssen von
Berechtigungen komme. Einer der Klägerinnen (VG 10 A 444.05) sei bereits jetzt
mindestens ein Fall eines nachträglichen Widerrufs von mehr als 1 Mio.
Berechtigungen bekannt. Unklar sei, wie mit solchen Rückflüssen verfahren werde,
da diese im Gegensatz zu Rückflüssen aus Widerrufen bei Optionsanlagen (§ 11
Abs. 5 i.V.m. § 8 Abs. 3, 4) zumindest nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht der
Reserve für Neuanlagen zuflössen. Für die Verwendung solcher zurückgeflossenen
Berechtigungen fehle eine hinreichende Rechtsgrundlage. Da sie jedoch in jedem
Fall am Ende der Zuteilungsperiode erlöschten, würden widerrufene Berechtigungen
in jedem Fall in rechtswidriger Weise nicht nur den Bestandsanlagen, sondern dem
Markt insgesamt entzogen. Das Risiko für behördliche Fehlentscheidungen dürfe
nicht als Sonderopfer auf die Betreiber abgewälzt werden.
Da es im Rahmen
von Verpflichtungsklagen bezüglich der maßgeblichen Sach- und Rechtslage auf den
Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ankomme, seien zwischenzeitlich
zurückgeflossene Berechtigungen nunmehr an die von der Kürzung betroffenen
Betreiber auszukehren.
Die Klägerin im vorliegenden Verfahren
beantragt,
den Bescheid des Umweltbundesamtes, Deutsche
Emissionshandelsstelle, vom 16. Dezember 2004 und des Widerspruchsbescheides
derselben Behörde vom 19. September 2005 aufzuheben, soweit er eine Kürzung der
zugeteilten Berechtigungen nach § 4 Abs. 4 ZuG 2007 festsetzt und die Beklagte
zu verpflichten, ihr die sich ohne Kürzung nach § 4 Abs. 4 ZuG 2007 errechnende
Zahl von Emissionsberechtigungen zuzuteilen.
Die Beklagte
beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält sowohl die
Vorschrift des § 4 Abs. 4 ZuG 2007, als auch deren konkrete Anwendung für
rechtmäßig.
Sie verweist zunächst auf die Funktion der anteiligen
Kürzung. Die mit dem Emissionshandel angestrebten Ziele der Reduzierung von
Treibhausgasemissionen und die Schaffung von wirksamen Anreizen zur Vermeidung
von Emissionen erforderten es, dass die Zahl der verfügbaren Berechtigungen
geringer sei als der tatsächliche Bedarf der Anlagen. Zwar sei ursprünglich
geplant gewesen, diesen Verknappungseffekt in erster Linie durch den in § 5 ZuG
2007 festgelegten sog. ersten Erfüllungsfaktor zu erreichen; aufgrund der
Modifizierung der Zuteilungsregeln im Gesetzgebungsverfahren sei es jedoch
erforderlich geworden, § 4 Abs. 4 ZuG 2007 als weiteren Korrekturmechanismus zur
Einhaltung des cap einzuführen.
Weder das Emissionshandelssystem
insgesamt, noch § 4 Abs. 4 ZuG 2007 verstoße gegen Gemeinschaftsrecht. Dem
Gemeinschaftsrecht sei zunächst nicht zu entnehmen, dass als Zuteilungskriterium
ausschließlich oder vorrangig das jeweilige Emissionsminderungspotential der
Anlage zu berücksichtigen sei. Anhang III der Richtlinie beziehe sich vielmehr
nur auf die Gesamtmenge der zuzuteilenden Berechtigungen. Dieser Verpflichtung
zur Berücksichtigung der Emissionsminderungspotentiale sei der Gesetzgeber
beispielsweise durch die Einführung der Regeln für prozessbedingte Emissionen
nachgekommen.
Die Beklagte hält § 4 Abs. 4 ZuG 2007 darüber hinaus auch
für verfassungsgemäß.
Insbesondere sei kein Verstoß gegen die
Eigentumsgarantie gegeben. Dabei sei zu berücksichtigen, dass ein Eingriff in
grundrechtlich geschützte Positionen allenfalls in der sich aus § 6 Abs. 1 TEHG
ergebenden Abgabepflicht zu sehen sei. Die die Anlagenbetreiber begünstigende
Zuteilungsentscheidung hingegen stelle keinerlei Verkürzung von Rechten dar,
weshalb auch die anteilige Kürzung des § 4 Abs. 4 ZuG 2007 nicht isoliert
gesehen werden könne.
Im Lichte dessen sei die Regelung des § 4 Abs. 4
ZuG 2007 auch verhältnismäßig. Die Reduktion von Treibhausgasen im Sinne des
Staatsziels Umweltschutz sei ein verfassungsrechtlich legitimes Ziel, wobei dem
Gesetzgeber bezüglich der Maßnahmen zur Zielerreichung ein weiter
Entscheidungsspielraum zustehe. § 4 Abs. 4 ZuG 2007 sei insoweit sowohl
geeignet, als auch erforderlich. Insbesondere seien keine weniger belastenden
Mittel als Alternative denkbar. So sei eine andere Sektorenallokation kein
milderes Mittel, weil sie Fragen der Gleichbehandlung aufwerfe. Der Einsatz von
flexiblen Mechanismen bzw. der Ankauf von zusätzlichen Berechtigungen stellten
ebenfalls keine milderen Mittel dar, da sie das Ziel lediglich veränderten und
nicht zu dessen Einhaltung beitragen könnten.
Schließlich sei die
Kürzungsregel des § 4 Abs. 4 ZuG 2007 auch angemessen. Es sei dem Prinzip des
Emissionshandels immanent, dass eine gewisse Knappheit an Berechtigungen
herrschen müsse. Im Rahmen der praktischen Konkordanz und seines
Einschätzungsspielraumes habe sich der Gesetzgeber primär für die Zuteilung auf
der Basis historischer Emissionen entschieden, weshalb auch die Kürzung
erforderlich geworden sei. Insbesondere durch die Möglichkeit der Option habe
der Gesetzgeber jedoch den Bestandsanlagen die Möglichkeit gegeben, sich für
eine für sie günstige Variante der Zuteilung zu entscheiden.
Auch ein
Verstoß gegen Art. 12 GG sei nicht gegeben. Die in der Einführung des
Emissionshandels liegende Berufsausübungsregelung sei durch vernünftige Gründe
des Allgemeinwohls gerechtfertigt.
Weiterhin liege auch kein Verstoß
gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 GG vor. Im Rahmen der gebotenen
Typisierung sei zu berücksichtigen, dass es bei der Zuteilung von Berechtigungen
in erster Linie um eine Begünstigung gehe, weshalb der Gesetzgeber auch bei der
Bildung von Vergleichsgruppen, ebenso wie bezüglich der Frage, für welche Fälle
er welche Vergünstigungen vorsehe, über einen sehr weiten Gestaltungsspielraum
verfüge.
Die Vorschrift sei auch bestimmt genug, da für die
Anlagenbetreiber vorhersehbar gewesen sei, dass es ggf. zu einer anteiligen
Kürzung kommen werde, so dass bereits die Antragstellung mit der Möglichkeit der
Kürzung belastet gewesen sei. Das Rechtsstaatsprinzip verlange nicht, dass
staatliches Handeln in jedem Detail für den Betroffenen vorhersehbar und
berechenbar sei.
Darüber hinaus sei die Vorschrift des § 4 Abs. 4 ZuG
2007 von der zuständigen Behörde auch richtig angewandt worden. Die zuzuteilende
Gesamtmenge habe das Ziel von 495 Mio. Tonnen im Zeitpunkt der Berechnung der
anteiligen Kürzung überschritten. Dabei seien in die zu berücksichtigende
Gesamtmenge sämtliche Bestandsanlagen einschließlich der sog. Optierer
einzustellen gewesen. Von der maßgeblichen Gesamtmenge abzuziehen seien nach
Wortlaut und Sinn und Zweck der Norm lediglich die Zuteilungen für „echte“
Neuanlagen nach § 11 ZuG 2007 gewesen, was sich auch aus der Zusammenschau mit
dem nationalen Allokationsplan ergebe.
Maßgeblich für die Berechnung der
anteiligen Kürzung sei einzig der Zeitpunkt unmittelbar vor Erlass der
behördlichen Zuteilungsentscheidungen, was sich wiederum ebenfalls aus Wortlaut
und Sinn und Zweck von § 4 Abs. 4 ZuG 2007 ergebe. Im Rahmen einer internen
Vorprüfung sei zunächst die jeweilige Zuteilungsmenge errechnet worden. Die auf
diese Weise festgestellte Menge sei nach Vorliegen der Gesamtmenge um den sich
ergebenden Kürzungsfaktor gekürzt worden. Nachträgliche Änderungen, wie etwa
Rückflüsse aus Widerrufsentscheidungen, hätten unberücksichtigt zu bleiben. Eine
wiederholte oder spätere Anwendung der anteiligen Kürzung sei nicht vorgesehen
und vom Gesetzeszweck auch nicht gedeckt. Nur eine einmalige verbindliche
Festlegung des Kürzungsfaktors könne die Einhaltung des caps gewährleisten und
unendliche Neuberechnungen verhindern. Diese Auslegungsvariante von § 4 Abs. 4
ZuG 2007 sei darüber hinaus die einzig praktikable Lösung, da nachträgliche
Korrekturen nicht nur einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand mit sich
brächten, sondern zu einem Zustand völliger Rechtsunsicherheit bei allen
Anlagenbetreibern führten, die andernfalls jederzeit auch mit einer
Rückforderung rechnen müssten, da keinesfalls klar sei, dass Korrekturen im
Laufe der Zuteilungsperiode stets nur zu einer Verringerung der Kürzung führen
müssten. Gerade auch die neuere Rechtsprechung des Europäischen Gerichts erster
Instanz lasse darauf schließen, dass Ex-Post-Anpassungen im Allgemeinen
vermieden werden sollten.
Im Übrigen könne die Höhe von Rückflüssen aus
Ex-Post-Korrekturen ohnehin erst am Ende der Zuteilungsperiode, nämlich am 31.
Januar 2008 bestimmt werden könnten. Eine Hochrechnung komme schon deshalb nicht
in Betracht, weil die den Zuteilungen nach § 11 ZuG 2007 zugrunde liegenden
Prognosen so plausibel sein müssten, dass nicht von vorneherein von deren
Unrichtigkeit ausgegangen werden könne. Die Überprüfung der Berechnung des
Kürzungsfaktors im Einzelnen sei dem Gericht schließlich entzogen, da der
zuständigen Behörde insoweit ein Verfahrensermessen bzw. ein nicht überprüfbarer
Beurteilungsspielraum zustehe.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten
des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte sowie der
Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die vorgelegen haben und Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist
unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrten zusätzlichen
Emissionsberechtigungen. Die ursprüngliche Zuteilungsentscheidung ist vielmehr
rechtmäßig und verletzt sie daher nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1,
Abs. 5 VwGO.
I. Soweit einzelne Klägerinnen in den geführten
Musterverfahren die Vereinbarkeit des gesamten Emissionshandelssystems mit
höherrangigem Recht in Frage stellen (vgl. z.B. VG 10 A 435.05), könnte dies die
beantragte Mehrzuteilung von Emissionshandelsberechtigungen gemäß § 9 Abs. 1
TEHG nicht stützen. Bei der Zuteilungsentscheidung handelt es sich um einen
integralen Bestandteil des Gesamtsystems (so auch BVerwG, Urteil vom 30. Juni
2005, NVwZ 2005, 1178, 1181). Sollte dieses sich als mit höherrangigem Recht
unvereinbar erweisen, so könnte nicht isoliert eine Mehrzuteilung erfolgen, die
dem (dann gemeinschaftsrechts- oder verfassungswidrigen) System inhärent und mit
diesem untrennbar verbunden wäre.
Darüber hinaus beruht die nationale
Einführung des Emissionshandels auf den europarechtlichen Vorgaben der
Richtlinie 2003/87/EG, welche die einzelnen Mitgliedsstaaten zwingend (vgl.
Burgi, Die Rechtsstellung von Unternehmen im Emissionshandel, 5. Kolloquium zu
Bergbau und Umweltschutz in Aachen, Heft 103 der Schriftenreihe der GDMB, S. 62)
zur Umsetzung sekundären Gemeinschaftsrechts verpflichtet (vgl. insbesondere
Art. 4 und 9 ff. der Richtlinie). Nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts scheidet deshalb eine Überprüfung des
Emissionshandelssystems am Maßstab nationalen Verfassungsrechts aus, solange die
Europäischen Gemeinschaften, insbesondere die Rechtsprechung des Gerichtshofs
der Gemeinschaften, wirksamen Grundrechtsschutz gegenüber der Hoheitsgewalt der
Gemeinschaften generell gewährleisten, der dem grundgesetzlich gewährleisteten
Rechtsschutz im wesentlichen gleich steht (vgl. BVerfGE 73, 339, 378 ff.;89,
155, 174 f.; BVerwG, NVwZ 2005, 1178, 1181.). Da weder substantiiert vorgetragen
noch sonst ersichtlich ist, dass der Grundrechtsschutz auf Gemeinschaftsebene
nicht (mehr) ausreichend sein sollte, ist das in TEHG und ZuG 2007 umgesetzte
Emissionshandelssystem (nur) am Maßstab europäischer Grundrechte zu prüfen. Die
Vereinbarkeit des Systems mit den Grundrechten, insbesondere der Eigentums- und
der Berufsfreiheit in ihrer jeweiligen europarechtlichen Ausprägung hat das
Bundesverwaltungsgericht schließlich in seinem Urteil vom 30. Juni 2005
ausdrücklich bejaht (BVerwG, NVwZ 2005, 1178 ff.).
II.
Rechtsgrundlage für die die Klägerin betreffende Zuteilungsentscheidung ist § 9
TEHG i.V.m. §§ 7 Abs. 1-6, 4 Abs. 4 ZuG 2007, da die Klägerin die Zuteilung auf
der Grundlage historischer Emissionen beantragt hatte. Die der Klägerin auf
ihren Antrag vom 20. September 2004 hin gemäß § 9 Abs. 1 TEHG i.V.m. § 7 Abs.
1-6 ZuG 2007 zuzuteilende Menge an Emissionsberechtigungen hat die Beklagte in
nicht beanstandenswerter Weise gemäß § 4 Abs. 4 ZuG 2007 um den Faktor 0,9538
(gerundet) gekürzt.
III. Gegen die Vereinbarkeit der Vorschrift des § 4
Abs. 4 ZuG 2007 mit höherrangigem Recht bestehen keine Bedenken.
1.
Zunächst steht § 4 Abs. 4 ZuG 2007 nicht im Widerspruch zu Vorschriften des
Gemeinschaftsrechts, weshalb der Europäische Gerichtshof nicht im Wege einer
Vorlage gemäß Art. 234 EG angerufen werden musste. Die anteilige Kürzung
verstößt nicht gegen die Vorgaben der Richtlinie 2003/87/EG, insbesondere nicht
gegen Anhang III, der die Kriterien für die nationalen Zuteilungspläne
festlegt.
1.1 Soweit die Klägerinnen meinen (VG 10 A 444.05; VG 10 A
435.05), die anteilige Kürzung verstoße gegen die Richtlinie 2003/87/EG, weil
sie differenzierungslos auf nahezu alle Anlagen angewandt würde, ohne deren
jeweiliges Emissionsminderungsvermögen in Betracht zu ziehen, stellt dies keinen
Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht dar. Gemäß Kriterium Nr. 3 des Anhangs III der
Richtlinie müssen die Mengen der Zertifikate, die zugeteilt werden sollen, mit
dem Potential (auch dem technischen) der unter dieses System fallenden
Tätigkeiten zur Emissionsverringerung in Einklang stehen. Diese Vorgabe verlangt
jedoch nicht, dass bei jeder einzelnen Zuteilung das individuelle
Emissionsminderungspotential der jeweiligen Anlage berücksichtigt werden muss.
Dies ergibt sich schon daraus, dass der Anhang III bereits nach seiner
Überschrift sowie nach seiner systematischen Stellung nur Programmsätze für die
nationalen Zuteilungspläne insgesamt, nicht jedoch Vorgaben für einzelne
Zuteilungsentscheidungen bezweckt (vgl. dazu auch Hinweise der Kommission zur
Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Anwendung von Anhang III RL
2003/87/EG, KOM(2003), 830 endg. vom 7. Januar 2004). Dies wird dadurch
bestätigt, dass Nr. 8 der Präambel der Richtlinie vorsieht, dass die
Mitgliedsstaaten bei der (allgemeinen) Zuteilung von Zertifikaten das Potential
bei Tätigkeiten industrieller Verfahren, Emissionen zu verringern,
berücksichtigen sollten. Darüber hinaus betrifft die von den Klägerinnen geltend
gemachte Kritik nicht lediglich die anteilige Kürzung gemäß § 4 Abs. 4 ZuG 2007,
sondern letztlich das gesamte auf dem nationalen Zuteilungsplan basierende
Verteilungssystem des ZuG 2007, da dieses nicht vorsieht, dass bei jeder
Zuteilungsentscheidung das individuelle Emissionsminderungspotential zu
berücksichtigen sei. Vielmehr hat der nationale Gesetzgeber innerhalb der ihm
zustehenden Einschätzungsprärogative (vgl. Mager, DÖV 2004, 561, 564) und unter
Berücksichtigung der verschiedenen in der Richtlinie aufgeführten Kriterien
einen nationalen Zuteilungsplan aufgestellt und in diesem Zusammenhang gewisse
Typisierungen vorgenommen (vgl. auch Frenz, Emissionshandelsrecht, § 9 TEHG,
Rdnr. 131, Heidelberg, 2005). Inwieweit einzelne Anlagen aufgrund der jeweiligen
wirtschaftlichen oder branchentypischen Verhältnisse ihre CO2-Emissionen
tatsächlich mehr oder weniger reduzieren können, musste der Gesetzgeber –auch
unter Beachtung des Verbots der Bevorzugung bestimmter Unternehmen oder Branchen
(vgl. Kriterium Nr. 5 des Anhangs III)- darüber hinaus nicht berücksichtigen.
Dies gilt umso mehr, als das Ziel eines liquiden und effizienten Marktes gerade
dadurch erreicht wird, dass Angebot und Nachfrage an CO2-Berechtigungen in einem
angemessenen Verhältnis stehen. Die Berücksichtigung individueller
Emissionsminderungsmöglichkeiten zur Erfüllung des Kriteriums Nr. 3 des Anhangs
III der Richtlinie 2003/87/EG hat im Übrigen innerhalb des nationalen
Zuteilungssystems unter anderem in § 13 ZuG 2007 bezüglich sog. prozessbedingter
Emissionen (vgl. Körner/ Vierhaus, TEHG, § 13 ZuG, Rdnr. 2, München, 2005;
BT-Drs. 15/2966, S. 24) und im Zusammenhang mit den ausdifferenzierten
Emissionswerten für unterschiedliche Energieträger (sog. benchmarks) ihren
Niederschlag gefunden.
Dass der deutsche Zuteilungsplan einen Verstoß
gegen Kriterium Nr. 3 beinhalten sollte, hat die Kommission der Europäischen
Gemeinschaften schließlich in ihrer Stellungnahme zum nationalen Zuteilungsplan
der Bundesrepublik Deutschland vom 7. Juli 2004 nicht gerügt.
1.2
Weiterhin verstößt die anteilige Kürzungsregel des § 4 Abs. 4 ZuG 2007 auch
nicht gegen das in der Richtlinie 2003/87/EG enthaltene „Transparenzgebot“. Die
Präambel der Richtlinie sieht in Nr. 13 u.a. vor, dass zur Gewährleistung von
Transparenz die Öffentlichkeit Zugang zu Informationen über die Zuteilung von
Zertifikaten erhalten sollte. Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie bestimmt, dass die
Mitgliedsstaaten für jeden Zuteilungszeitraum einen nationalen Plan aufstellen,
aus dem hervorgeht, wie viele Zertifikate sie insgesamt für diesen Zeitraum
zuzuteilen beabsichtigen und wie sie die Zertifikate zuzuteilen gedenken. Dieser
Plan ist auf objektive und transparente Kriterien zu stützen. Gemäß Kriterium
Nr. 10 des Anhangs III der Richtlinie muss der Plan eine Liste der unter die
Richtlinie fallenden Anlagen unter Angabe der Anzahl der Zertifikate enthalten,
die den einzelnen Anlagen zugeteilt werden sollen.
§ 4 Abs. 4 ZuG 2007
beinhaltet insoweit keinen Verstoß gegen die Richtlinie: aus der dem nationalen
Zuteilungsplan anliegenden und der EU-Kommission übermittelten „Liste der am
Emissionshandel teilnehmenden Anlagen in Deutschland“ ( -> downloads) lässt
sich detailliert entnehmen, welches Unternehmen für welche Anlage welcher
Betriebsart für die erste Zuteilungsperiode wie viele Emissionsberechtigungen
erhalten hat. Darüber hinaus ist der nationale Zuteilungsplan auch im Sinne von
Art. 9 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2003/87/EG auf objektive und transparente
Kriterien gestützt. Die verschiedenen Zuteilungsregeln werden dort (vgl. S. 32
ff des Nationalen Allokationsplanes, NAP) im Einzelnen erläutert. Sie lassen
sich im Übrigen (einschließlich der anteiligen Kürzung, vgl. S. 7) dem bereits
im Herbst 2004 von der zuständigen Behörde veröffentlichten „Leitfaden
Zuteilungsregeln 2005-2007“ (vgl. -> downloads) entnehmen. Soweit die
Klägerinnen rügen, dass für den einzelnen Anlagenbetreiber im Zeitpunkt des
Erlasses des nationalen Zuteilungsplanes nicht erkennbar gewesen sei, dass es
über den Erfüllungsfaktor (§ 5 ZuG 2007) hinaus zu der in § 4 Abs. 4 ZuG 2007
vorgesehenen anteiligen Kürzung kommen werde, verkennen sie, dass die Festlegung
einzelner Zuteilungsregeln nicht Regelungsinhalt der Richtlinie ist und es nicht
schon deshalb an Transparenz im Sinne der Richtlinie mangelt, weil weder die
Richtlinie, noch der nationale Zuteilungsplan das Konzept einer anteiligen
Kürzung enthalten. Transparenz bedeutet entgegen der Ansicht der Klägerinnen
(vgl. VG 10 A 388.05) nicht, dass der einzelne Anlagenbetreiber anhand des
Zuteilungsplanes die ihm exakt zuzuteilende Menge an Emissionsberechtigungen
bestimmen können muss. Die Auslegung des (im Übrigen in nahezu allen
Übersetzungen der Sprachen der Mitgliedsstaaten enthaltenen) Begriffes
„transparent“ ergibt –gerade auch im Zusammenspiel mit der Anforderung
„objektiver“ Zuteilungskriterien-, dass die Zuteilungsregeln eine gerechte,
nicht willkürliche und „durchschaubare“ Verteilung ermöglichen sollen. Dies wird
durch die Mitteilung der Kommission zu den künftig zu erstellenden
Zuteilungsplänen (KOM (2005) 703, endg. vom 22. Dezember 2005) verdeutlicht:
dort fordert die Kommission die Mitgliedsstaaten auf, in Zukunft einfachere
(„transparentere“) Pläne mit weniger Sonderregelungen zu erlassen.
Diese
gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen werden durch § 4 Abs. 4 ZuG 2007 nicht in
Frage gestellt. Die Gefahr einer anteiligen Kürzung, welche im Übrigen lediglich
eine vergleichsweise simple Berechnung erfordert, war bereits vor Beginn des
Zuteilungsverfahrens im Gesetz angelegt. Der einzelne Anlagenbetreiber konnte
zwar nicht die ihm genau zuzuteilende Menge an Berechtigungen absehen; ihm war
jedoch bekannt, nach welchen Regeln die Zuteilung ablaufen würde und dass es bei
Überschreiten der insgesamt zuzuteilenden Menge von 495 Mio. Tonnen CO2 zu einer
anteiligen Kürzung kommen würde. Eine darüber hinausgehende Forderung nach
Transparenz würde die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben überspannen.
Die
anteilige Kürzung des § 4 Abs. 4 ZuG 2007 stellt letztlich die „Stellschraube“
zwischen Makro- und Mikroplan dar und gewährleistet, dass die im Kyoto-Protokoll
sowie im europäischen Burden-sharing-agreement eingegangenen nationalen und
gemeinschaftlichen Verpflichtungen zur Reduktion von Treibhausgasen im Rahmen
des Emissionsziels eingehalten werden. Die Erfüllung der Reduktionspflichten
stellt sowohl die Grundlage, als auch das eigentliche Ziel der Richtlinie
2003/87/EG dar, wie unter anderem aus den Nummern 1-5 der Präambel deutlich
wird. Wie der nationale Gesetzgeber seinen Reduktionspflichten im Einzelnen
nachkommt und welche Zuteilungsregeln er aufstellt, bleibt seinem
Einschätzungsspielraum überlassen, wie die beachtlichen Unterschiede zwischen
den europäischen Zuteilungsplänen eindrucksvoll belegen (vgl. ->
downloads)
1.3 Schließlich verstößt § 4 Abs. 4 ZuG 2007 auch nicht gegen
das von den Klägerinnen geltend gemachte gemeinschaftsrechtliche Verbot von
Ex-Post-Korrekturen.
Zunächst enthält die Richtlinie selbst direkt keinen
„Ex-Ante-Grundsatz“. Soweit sich die Klägerinnen auf einen ungeschriebenen, sich
aus Kriterium Nr. 10 des Anhangs III der Richtlinie ableitenden solchen
Grundsatz berufen, ergibt sich daraus lediglich, dass die nationalen
Zuteilungspläne Listen der unter die Richtlinie fallenden Anlagen einschließlich
der diesen Anlagen zuzuteilenden Zertifikate enthalten müssen. Eine solche
–öffentlich zugängliche- Liste wurde der Kommission von der Beklagten
übermittelt, so dass insoweit kein Verstoß gegen die Richtlinie erkennbar ist.
Darüber hinaus wäre bereits fraglich, ob die das Verhältnis zwischen Kommission
und Nationalstaaten betreffenden Vorschriften überhaupt zugunsten der
Klägerinnen drittschützende Wirkung entfalten könnten.
Soweit sich die
Klägerinnen darauf berufen, dass die Kommission verschiedene nationale
Zuteilungspläne, u.a. auch den deutschen Allokationsplan, im Hinblick auf
diejenigen Vorschriften, welche eine Ex-Post-Korrektur vorsehen (§§ 8 Abs. 3, 11
ZuG), abgelehnt hat, hat dies für die Beurteilung der Richtlinienkonformität von
§ 4 Abs. 4 ZuG 2007 aus verschiedenen Gründen keine Bedeutung. Zum einen schwebt
bezüglich der Zulässigkeit der im deutschen Zuteilungsplan vorgesehenen
Ex-Post-Korrekturen noch ein Verfahren vor dem Europäischen Gericht erster
Instanz, dessen Ausgang nicht abzusehen ist, so dass derzeit in keiner Weise
klar ist, ob die Richtlinie überhaupt ein Verbot von Ex-Post-Korrekturen enthält
und wie weit dieses zu fassen wäre. Zum anderen hat das Gericht in seinem Urteil
vom 23. November 2005 bezüglich des nationalen Zuteilungsplans von
Großbritannien entschieden, dass sogar die im Zuteilungsplan vorgesehene
Gesamtmenge der zuzuteilenden Berechtigungen ggf. nachträglich korrigiert werden
dürfe (vgl. EuZW 2006, 54 ff.). Daraus ergibt sich, dass nachträgliche
Korrekturen, die das Gesamtbudget unverändert lassen und lediglich die
Verteilung im einzelnen –nach zuvor bekannt gegebenen abstrakten Kriterien-
betreffen, erst recht keinen Verstoß gegen die Richtlinie 2003/87/EG darstellen,
da das von der Kommission zitierte Kriterium Nr. 10 des Anhangs III der
Richtlinie ohnehin nur die Zuteilungspläne insgesamt
betrifft.
Schließlich besteht bei der anteiligen Kürzung, wie sie von der
Beklagten angewandt wurde, keine Gefahr einer Ex-Post-Korrektur, da die durch
die Anwendung von § 4 Abs. 4 ZuG 2007 erfolgte „Korrektur“ der
Zuteilungsentscheidungen nicht während der laufenden Zuteilungsperiode, sondern
bereits zu deren Beginn im Rahmen der ursprünglichen Zuteilungsentscheidung
stattfand. In diesem Fall ist die von einem etwaigen Ex-Ante-Grundsatz verfolgte
Zielsetzung, nämlich eine Festlegung der Zuteilung vor Beginn des Handels zur
Ermöglichung eines liquiden und funktionierenden Marktes ohne weiteres gewahrt.
Die Kommission hatte deshalb bezüglich der Regelung des § 4 Abs. 4 ZuG 2007
keine Beanstandungen (vgl. vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Große
Anfrage der CDU/CSU-Fraktion, BT-Drs. 15/5911, S. 13).
2. Darüber
hinaus steht die in § 4 Abs. 4 ZuG 2007 enthaltene anteilige Kürzung in Einklang
mit den Bestimmungen des Grundgesetzes.
2.1 Im Gegensatz zu der
Grundentscheidung des Gesetzgebers für das Emissionshandelssystem insgesamt,
wodurch zwingende gemeinschaftsrechtliche Vorgaben umgesetzt werden, unterliegt
die Regelung des § 4 Abs. 4 ZuG 2007 als einzelne materielle Zuteilungsregel
zwar grundsätzlich der gerichtlichen Überprüfung am Maßstab nationalen
Verfassungsrechts. Soweit die Klägerinnen allerdings unter Berufung auf die
vermeintliche Verfassungswidrigkeit der Vorschrift des § 4 Abs. 4 ZuG 2007
Mehrzuteilungen unter schlichter Nichtanwendung des Kürzungsfaktors
beanspruchen, könnten sie damit –selbst bei unterstellter Verfassungswidrigkeit
von § 4 Abs. 4 ZuG 2007 nicht durchdringen: die Kürzungsregel des § 4 Abs. 4 ZuG
2007 ist Teil eines ausdifferenzierten im ZuG 2007 enthaltenen Gefüges von
Zuteilungsregeln, welches primär der Einhaltung des nationalen Emissionszieles
unter sachgerechter Verteilung der Berechtigungen und der Schaffung eines
effizienten Marktes dient. Die Zuteilung von Berechtigungen erfolgt jeweils
unter Zugrundelegung einer Mehrzahl von Zuteilungsregeln, so dass die Anwendung
der anteiligen Kürzung gemäß § 4 Abs. 4 ZuG 2007 letztlich nur einen einzelnen
Rechenschritt im Rahmen einer mehrstufigen Formel darstellt. Der von den
Klägerinnen geltend gemachte Anspruch auf Zuteilung von Berechtigungen gemäß § 9
Abs. 1 TEHG besteht nicht abstrakt, sondern gerade „nach Maßgabe des Gesetzes
über den nationalen Zuteilungsplan“. Die etwaige Verfassungswidrigkeit von § 4
Abs. 4 ZuG 21007 als einzelne Zuteilungsvorschrift hätte demnach nicht zur
Folge, dass diese schlicht außer Acht gelassen werden könnte und eine isolierte
Zuteilung unter Zugrundelegung der übrigen Zuteilungsregeln erfolgen müsste.
Vielmehr müsste im Fall der Verfassungswidrigkeit einer einzelnen materiellen
Zuteilungsvorschrift das gesamte Gefüge neu geordnet und in diesem Zusammenhang
müssten durch den Gesetzgeber neue Zuteilungsregeln geschaffen werden (vgl.
BVerwG, NVwZ 2005, 1178, 1183).
Im Übrigen bestehen gegen die
Verfassungsgemäßheit der Vorschrift auch keine Bedenken, so dass eine Vorlage an
das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 GG nicht angezeigt war.
2.2
Die anteilige Kürzung ist zunächst mit Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar. Soweit die
Klägerinnen in der Regelung des § 4 Abs. 4 ZuG 2007 einen verfassungswidrigen
Eingriff in ihre Eigentumsfreiheit sehen, gilt es zunächst zu berücksichtigen,
dass die Kürzungsvorschrift des § 4 Abs. 4 ZuG 2007 auch hier nicht isoliert,
sondern nur im Zusammenhang mit dem gesamten Zuteilungssystem betrachtet werden
kann: die anteilige Kürzung allein stellt schon deshalb keinen
Grundrechtseingriff dar, weil sie lediglich die gewährende, kostenlos erfolgende
Zuteilung von Berechtigungen beschränkt. Der von den Klägerinnen geltend
gemachte Anspruch auf Zuteilung gemäß § 9 Abs. 1 TEHG stellt für sich betrachtet
keine im Sinne von Art. 14 Abs. 1 GG schutzwürdige Eigentumsposition dar, da er
zum einen schon dem Wortlaut nach stets nur nach Maßgabe des Zuteilungsgesetzes,
mithin durch die Möglichkeit der anteiligen Kürzung gemäß § 4 Abs. 4 ZuG 2007
„vorbelastet“, besteht. Zum anderen ist den Klägerinnen jedenfalls keine
schutzwürdige Eigentumsposition an den zuzuteilenden Berechtigungen als solchen
entstanden, da zu keinem Zeitpunkt eine ungekürzte Zuteilungsentscheidung
ergangen ist, sondern die intern vorab ungekürzt berechnete Zuteilungsmenge von
der Beklagten uno actu mit der Zuteilungsentscheidung gemäß § 4 Abs. 4 ZuG 2007
gekürzt wurde. Die Erwartung einer höheren Zuteilung stellt darüber hinaus als
bloße Zukunftshoffnung keine schutzwürdige Eigentumsposition dar (vgl. BVerfGE
28,119 ff.; 193, 222 ff.). Im Übrigen handelt es sich bei isolierter Betrachtung
bei der Zuteilung um eine staatlich gewährte Leistung, die schon deshalb keine
schutzwürdige Eigentumsposition begründet, weil sie nicht auf Eigenleistungen
der Anlagenbetreiber beruht und deshalb nicht „erdient“ im Sinne der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist (st. Rspr., vgl. BVerfGE 69, 9
ff., 92, 365 ff.; 97, 271 ff.; dazu auch Burgi, a.a.O).
Ein Eingriff in
eigentumsrechtlich relevante Positionen der Klägerinnen liegt allenfalls im
Zusammenspiel der Zuteilungsentscheidung mit der in § 6 TEHG geregelten
Abgabepflicht der Anlagenbetreiber. Mit der Einführung des
Emissionshandelssystems hat der Gesetzgeber durch neue Inhalts- und
Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 Abs. 1 GG die bislang dem Schutz des
Anlageneigentums unterfallende Befugnis zur Nutzung des Umweltmediums Luft aus
diesem Schutz herausgelöst und einem neuen marktwirtschaftlich orientierten
System unterstellt. Dabei ist die Emissionsbefugnis nicht um ihrer selbst willen
eigentumsrechtlich geschützt; sie sichert vielmehr die Benutzbarkeit der dem
Anlagenbetreiber zugeordneten eigentumsrechtlich geschützten Gegenstände seiner
Anlage oder den Fortbestand des von ihm eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetriebs (vgl. BVerwG, NVwZ 2005, 1178, 1181 f.).
Entscheidend für
die Frage der Vereinbarkeit von § 4 Abs. 4 ZuG 2007 mit Art. 14 Abs. 1 GG ist
demnach, ob das Anlageneigentum des einzelnen Anlagenbetreibers durch die
Abgabepflicht unter Berücksichtigung der ihm als Kompensation zugeteilten, nach
§ 4 Abs. 4 ZuG 2007 anteilig gekürzten Menge an Berechtigungen unzumutbar
beeinträchtigt wird (vgl. auch BVerwG, NVwZ 2005, 1178, 1182; Körner/Vierhaus, §
6 TEHG, Rdnr. 33).
An diesen Maßstäben gemessen stellt § 4 Abs. 4 ZuG
2007 eine verhältnismäßige und damit verfassungsgemäße Inhalts- und
Schrankenbestimmung dar. Zweck der Zuteilungsregeln insgesamt ist es, eine
Verteilung der Berechtigungen unter Einhaltung des in Übereinstimmung mit den
von der Bundesrepublik eingegangenen internationalen Verpflichtungen
festgelegten Emissionsziels zu ermöglichen und damit zum globalen Klimaschutz
beizutragen. Normzweck der Regelung des § 4 Abs. 4 ZuG 2007 ist es wiederum, das
(in § 4 Abs. 1 Satz 2 ZuG 2007 festgelegte) nationale Emissionsziel tatsächlich
einzuhalten (vgl. Körner/ Vierhaus, § 4 ZuG 2007, Rdnr. 10). Dabei ist die
Festlegung eines nationalen Emissionsziels eine der wesentlichen Grundlagen für
die Schaffung eines funktionierenden Emissionshandelssystems: der Idee des
Emissionshandels liegt insgesamt das Prinzip des sog. cap and trade zugrunde,
mithin die Vorstellung, dass ein liquider und effizienter Markt nur entstehen
kann, wenn eben gerade keine bedarfsgerechte Ausstattung jedes Anlagenbetreibers
erfolgt, sondern eine Verknappung stattfindet, die für die Betreiber Anreize zur
Emissionsreduktion bietet (vgl. Mager, DÖV 2004, 561, 562 f.).
Zur
Erreichung dieser angestrebten Verknappung sind sowohl eine starre Obergrenze,
als auch die entsprechende anteilige Kürzung, welche als „Stellschraube“ die
Korrespondenz von nationalem Zuteilungsplan und der Zuteilung auf der Grundlage
des ZuG 2007 sicherstellt, geeignete Mittel. Als geeignet ist ein Mittel stets
dann zu bezeichnen, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden
kann (BVerfGE 103, 293, 307; 96, 10, 23). In diesem Zusammenhang ist es
unbeachtlich, ob andere Mittel zur Zielerreichung, nämlich zur Einhaltung der
nationalen Verpflichtungen, ebenfalls geeignet wären (vgl. Jarass/Pieroth,
Grundgesetz, Art. 20, Rdnr. 84, 8. Auflage, München, 2006).
Darüber
hinaus ist die anteilige Kürzung gemäß § 4 Abs. 4 ZuG 2007 auch erforderlich.
Ein milderes, gleich geeignetes Mittel zur Einhaltung des nationalen
Emissionsziels ist nicht vorhanden. So stellt insbesondere der Zukauf von
Berechtigungen durch die Beklagte kein solches Mittel dar: das alternative
Mittel darf nicht zu einer stärkeren Belastung von Dritten oder der
Allgemeinheit, insbesondere auch nicht zu einer höheren finanziellen Belastung
des Staates führen (BVerfGE 109, 64, 86;77, 84, 110 f.; 70, 91 f.). Gleiches
gilt für den von einigen Klägerinnen (VG 10 A 444.05) vorgeschlagenen Weg einer
stärkeren Nutzung von sog. flexiblen Mechanismen. Zum einen sind diese für die
Beklagte mit Investitionen verbunden und belasten deshalb die Allgemeinheit in
stärkerem Maße als die anteilige Kürzung. Zum anderen stehen diese als
marktwirtschaftliche Instrumente eigenständig neben dem Emissionshandel (vgl.
Schweer/ von Hammerstein, Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz, Einl., Rdnr. 10,
16 ff., Köln Berlin München 2004). Sie könnten zwar der Herabsetzung der
Reduktionsverpflichtung der Beklagten, nicht aber der Einhaltung des nationalen
Emissionsziels dienen. Auch eine stärker sektorenspezifische Allokation stellt
kein gleich geeignetes, weniger einschneidendes Mittel dar. Zum einen erfasst
die Richtlinie 2003/87/EG nur die Sektoren Energie und Industrie, so dass der
Gesetzgeber keine Veranlassung hatte, andere Sektoren (wie etwa Haushalte und
Verkehr) zum jetzigen Zeitpunkt in den Emissionshandel einzubeziehen. Zum
anderen hätte die Einbeziehung eine stärkere Belastung eben dieser übrigen
Sektoren zur Folge. In diesem Kontext muss weiterhin berücksichtigt werden, dass
die Richtlinie in Kriterium Nr. 5 zu Anhang III ausdrücklich eine
ungerechtfertigte Bevorzugung oder Benachteiligung bestimmter Sektoren oder
Unternehmen verbietet. Der Gesetzgeber war auch nicht gehalten, über die von ihm
veranlassten Erhebungen hinaus weitere Erkundigungen über den Bedarf der
einzelnen Sektoren einzuholen.
Dem Gesetzgeber steht diesbezüglich ein
weitgehender Einschätzungsspielraum zu (vgl. auch Schweer/ von Hammerstein, § 6
TEHG, Rdnr. 19). Die Weite des jeweiligen legislativen Spielraums hängt von der
Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, den Möglichkeiten, sich ein
hinreichend sicheres Urteil zu bilden und der Bedeutung der auf dem Spiel
stehenden Rechtsgüter ab (Jarass/Pieroth, Art. 20, Rdnr. 87). Dieser Spielraum
ist im Fall des Emissionshandelsrechts als beträchtlich einzustufen. Zum einen
handelt es sich bei der Rechtsmaterie um ein weltweit völlig neues Gebiet, auf
dem noch keinerlei Erfahrungen vorliegen, und bei dem vielfältige technische und
wirtschaftliche Zusammenhänge einzubeziehen sind. Schließlich kommt dem Beitrag
zum globalen Umweltschutz durch Einhaltung der Klimaschutzziele als Schutzgut
hohe Bedeutung zu (vgl. BVerwG, NVwZ 2005, 1178, 1182).
Innerhalb dieses
Spielraums hat der Gesetzgeber mit der anteiligen Kürzung ein zulässiges Mittel
zur Einhaltung des nationalen Emissionsziels und damit der
Reduktionsverpflichtung gewählt. Es hätte ihm im Rahmen seiner
Einschätzungsprärogative ohne weiteres freigestanden, das nationale
Emissionsbudget nicht auszuschöpfen, den sog. ersten Erfüllungsfaktor (§ 5 ZuG
2007) höher anzusetzen und somit ohne Anwendung eines weiteren Kürzungsfaktors
auf sichere Weise die Einhaltung des Emissionsziels zu gewährleisten. Indem er
sich stattdessen für eine weitestgehende Ausschöpfung des Gesamtbudgets und
größtmögliche Verteilung an die Anlagenbetreiber entschieden hat, wählte er
bewusst ein die betroffenen Wirtschaftskreise weniger belastendes
Mittel.
Die Regelung der anteiligen Kürzung gemäß § 4 Abs. 4 ZuG 2007 ist
auch verhältnismäßig im engeren Sinn, da unter Berücksichtigung der Schwere des
Eingriffs und der Bedeutung des Grundrechts der Eigentumsfreiheit sowie der den
Eingriff rechtfertigenden Gründe für die Klägerinnen die Grenze der Zumutbarkeit
gewahrt wird. Es ist den einzelnen Klägerinnen im Hinblick auf die enorme
Bedeutung des Klimaschutzes (vgl. Art. 20 a GG) zuzumuten, mit der gemäß § 4
Abs. 4 ZuG 2007 gekürzten Menge ihrer Abgabepflicht gemäß § 6 TEHG nachzukommen
und ggf. Berechtigungen am Markt zuzukaufen. Insoweit muss berücksichtigt
werden, dass es gerade der Grundidee des Emissionshandels entspricht, die
betroffenen Unternehmen nicht auf ordnungsrechtliche Weise oder durch Einführung
einer CO2-Steuer zum Klimaschutz zu animieren, sondern ihnen vielmehr die
Möglichkeit zu bieten, sich aufgrund rein wirtschaftlicher Überlegungen zwischen
dem Zukauf von Berechtigungen und der Investition in klimafreundlichere,
CO2-ärmere Technologien zu entscheiden. Darüber hinaus waren Anlagenbetreiber
immissionsschutzrechtlich wegen des dynamischen Charakters der
Betreiberpflichten auch bislang nicht davor geschützt, Verpflichtungen zur
Durchführung emissionsmindernder Maßnahmen auferlegt zu bekommen (vgl. Schweer/
von Hammerstein, § 6 TEHG, Rdnr. 35; ebenso BVerwG, NVwZ 2005, 1178,
1182)
Für die Verfassungsgemäßheit der Norm spielt es insoweit keine
Rolle, dass der zweite Erfüllungsfaktor in der aktuellen Zuteilungsperiode durch
die Beklagte auf ca. 0,9538 festgelegt wurde, da sich die Höhe des
Kürzungsfaktors nicht aus der Norm, sondern erst aus deren Anwendung ergibt. Die
in der Zuteilungsperiode tatsächlich festgesetzte Kürzung beeinträchtigt jedoch
wegen ihrer relativ gesehen geringen Höhe keine der Klägerinnen in unzumutbarer
Weise. Dies gilt umso mehr, als die Richtlinie 2003/87/EG in Art. 10 vorsieht,
dass in der ersten Zuteilungsperiode mindestens 95 % aller Zertifikate kostenlos
zugeteilt werden müssen. Daraus lässt sich im Umkehrschluss entnehmen, dass auch
der Richtliniengeber von der Zumutbarkeit gewisser Kürzungen im Rahmen der
Zuteilung ausging. Darüber hinaus ist der Gesetzgeber der Gefahr einer im
Einzelfall unzumutbaren anteiligen Kürzung dadurch begegnet, dass er die Höhe
der zuzuteilenden Berechtigungen, ab der eine Kürzung gemäß § 4 Abs. 4 ZuG 2007
vorgenommen wird, mit 495 Mio. dem nationalen Emissionsziel von 499 Mio. Tonnen
CO2 pro Jahr weitestgehend angenähert hat. Die Unwahrscheinlichkeit eines diese
Zahl deutlich übersteigenden nationalen Bedarfs an Berechtigungen ergibt sich
aus den vor Erlass des nationalen Zuteilungsplanes und des ZuG 2007
durchgeführten Erhebungen (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Große
Anfrage der CDU/CSU-Fraktion, BT-Drs. 15/5911, S. 6) der Beklagten.
Die
nunmehr vorliegenden Ergebnisse der Emissionsberichterstattung zeigen überdies,
dass eine Vielzahl von Unternehmen trotz der anteiligen Kürzung gemäß § 4 Abs. 4
ZuG 2007 eine nahezu bedarfsgerechte Ausstattung mit Berechtigungen erhalten
hat. Zwei Drittel aller Anlagenbetreiber erhielten sogar mehr Berechtigungen,
als sie tatsächlich benötigten, um ihrer Abgabepflicht gemäß § 6 TEHG
nachzukommen. Insgesamt wurden 474 Mio. Tonnen CO2 emittiert; im Gegenzug dazu
wurden Berechtigungen im Wert von 495 Mio. Tonnen CO2 ausgegeben. Das bedeutet,
dass die Verknappung und damit der Druck auf die Anlagenbetreiber,
Berechtigungen am Markt zuzukaufen, nicht unerträglich hoch waren (vgl. auch
http://www.emissionshandel-fichtner.de/news.html#bericht090506). Wegen dieses
Überschusses an Zertifikaten, die dem Markt nach Durchführung der
Emissionsberichterstattung zur Verfügung standen, sank der Kurs an den
entsprechenden Börsen innerhalb weniger Tage von fast 30 Euro pro Berechtigung
auf unter 11 Euro (vgl. Kurse an der Leipziger Energiebörse, European Energy
Exchange, www.eex.de).
Im Zusammenhang mit der Frage nach der
Zumutbarkeit der Beeinträchtigung und der von den Klägerinnen geltend gemachten
Aufhebung der Privatnützigkeit ihres Eigentums und Unmöglichkeit eines
wirtschaftlichen Betriebes ihrer Anlage (vgl. u.a. VG 10 A 444.05) muss im
Übrigen durchaus berücksichtigt werden, dass einzelne Klägerinnen aus dem
Bereich der Energiewirtschaft teilweise Gewinne (sog. windfall profits; vgl.
Nachricht vom 23. September 2005; „Die Industrie im Klimawandel“) in
Milliardenhöhe erwirtschaftet haben, indem sie die ihnen kostenlos zugeteilten
Berechtigungen mit deren Marktpreis in die Strompreise einkalkulierten (vgl.
u.a. Studie des WWF; Hintergrundinformation vom 13.2.2006; abzurufen unter
www.wwf.de). Insoweit stellte die Einführung des Emissionshandelssystems
insgesamt für etliche Klägerinnen vielmehr eine zusätzliche Einnahmequelle als
eine unerträgliche Belastung ihrer Eigentumsrechte dar. Dass die Klägerinnen
darüber hinaus ein Interesse an einer (noch) höheren Ausstattung mit
Berechtigungen und einer über ihre vorhandenen Möglichkeiten hinausgehenden
Chance zur Umlegung der Berechtigungen auf ihre Kunden bzw. zur Spekulation mit
Berechtigungen am Markt haben, ist aus ökonomischen Gründen nachvollziehbar, als
bloße Gewinnerwartung jedoch nicht von Art. 14 Abs. 1 GG geschützt.
Auch
im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass die anteilige Kürzung gemäß § 4 Abs. 4
ZuG 2007 bezüglich einzelner Klägerinnen unzumutbar sein und deshalb eine
verfassungswidrige Inhalts- und Schrankenbestimmung darstellen sollte. Soweit
die Klägerin in dem Verfahren VG 10 A 444.05 geltend macht, sie sei als
Betreiberin eines emissionsstarken Braunkohlekraftwerks durch die anteilige
Kürzung sowohl quantitativ, als auch aufgrund der Tatsache, dass sie in den
nächsten Jahren mehrere der Blöcke des betroffenen Kraftwerks stillzulegen
gedenke, unzumutbar betroffen, so ist sie diesbezüglich nicht unerträglich im
Sinne von Art. 14 GG beeinträchtigt. Zum einen gilt es zu berücksichtigen, dass
die anteilige Kürzung bei der Klägerin absolut gesehen nur deshalb so hoch
ausfällt, weil ihr –wie im Übrigen auch anderen Braunkohlekraftwerken (vgl. ,
Nachricht vom 7. März 2005) - wegen ihrer hohen Emissionen in der Vergangenheit
auf der Grundlage des Grandfathering-Prinzips besonders viele Berechtigungen
zugeteilt worden waren. Relativ gesehen sind durch die unterschiedslose
Anwendung der anteiligen Kürzung sämtliche Betreiber gleich betroffen. Zum
anderen können auch die Spezifika der Anlage der Klägerin keine Unzumutbarkeit
der anteiligen Kürzung bewirken: zwar soll sich in der Regel jeder Betreiber
zwischen dem Zukauf von Berechtigungen am Markt und der Investition in
CO2-reduzierende Techniken entscheiden können. Dass sich im Fall der Klägerin
wegen der bevorstehenden Stillegung einzelner Kraftwerksblöcke Investitionen
nicht mehr amortisieren mögen, ist jedoch dem unternehmerischen Risikobereich
der Klägerin als Anlagenbetreiberin zuzurechnen und führt nicht zu einer
unerträglichen wirtschaftlichen Belastung durch die anteilige Kürzung gemäß § 4
Abs. 4 ZuG 2007, welche den Weiterbetrieb der Anlage unmöglich machte. Dies gilt
umso mehr, als die Klägerin ihren Bedarf an Berechtigungen nicht
notwendigerweise durch Zukauf von Berechtigungen am Markt, sondern ggf.
kostengünstiger durch Borrowing innerhalb des eigenen Konzerns decken
kann.
2.3 Ferner verstößt die Regelung des § 4 Abs. 4 ZuG 2007 nicht
gegen die in Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsfreiheit. Auch in diesem
Zusammenhang darf die anteilige Kürzung nicht isoliert gesehen werden, sondern
muss im Kontext zwischen Abgabepflicht und Kompensation durch Zuteilung von
Berechtigungen beurteilt werden. Die Regelung des § 4 Abs. 4 ZuG 2007 stellt so
verstanden aus den oben angeführten Gründen eine verhältnismäßige
Berufsausübungsregelung, nicht wie einzelne Klägerinnen meinen (VG 10 A 444.05)
eine Berufszulassungsregelung, dar (so bzgl. des Emissionshandelssystems
insgesamt auch BVerwG, NVwZ 2005, 1178, 1182; a.A. Schweer/ von Hammerstein, § 6
TEHG, Rdnr. 37), die bereits durch jede vernünftige Erwägung des Gemeinwohls
legitimiert wird (vgl. BVerfGE 7, 377, 405 f.). Dass die vom Gesetzgeber
verfolgten umweltpolitischen Ziele im Bereich des Klimaschutzes ein solch
zulässiges Gemeinwohlziel darstellen, kann nicht bestritten werden (vgl. auch
BVerwG, NVwZ 2005, 1178, 1182). Die anteilige Kürzung führt letztlich zu einer
(weiteren) Verknappung der Berechtigungen bei den einzelnen Betreibern und
erhöht damit insgesamt den Anreiz zur Reduktion von CO2-Emissionen, sei es
individuell durch Investitionen in die eigene Anlage oder volkswirtschaftlich
betrachtet durch Zukauf von Berechtigungen, welche an anderer Stelle nicht
benötigt werden.
2.4 Weiterhin begegnet die Regelung des § 4 Abs. 4
ZuG 2007 auch im Hinblick auf Art. 3 GG keinen rechtlichen Bedenken. Soweit die
Klägerinnen (vgl. VG 10 A 388.05) meinen, es stelle bereits einen Verstoß gegen
den Gleichheitsgrundsatz dar, dass nur die Sektoren Energiewirtschaft und
Industrie von der Emissionshandelspflichtigkeit erfasst seien, so ist dem
zunächst entgegenzuhalten, dass diese Differenzierung zwingend auf den
europarechtlichen Vorgaben der Richtlinie 2003/87/EG (vgl. Anhang I) beruht und
deshalb als unmittelbare Umsetzung sekundären Gemeinschaftsrechts nach der sog.
Solange-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 73, 339;
weitere Nachweise unter I.) derzeit nicht an den Grundrechten, sondern nur am
Maßstab europäischen Verfassungsrechts zu messen ist. Ein Verstoß gegen den
allgemeinen Gleichheitssatz in seiner europarechtlichen Ausprägung ist in der
(im Übrigen vorläufigen) Nichteinbeziehung anderer Sektoren in die
Emissionshandelspflichtigkeit nicht zu erkennen. Nach dem allgemeinen
Gleichheitssatz dürfen vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich
behandelt werden, es sei denn, dass eine Differenzierung objektiv gerechtfertigt
wäre (vgl. EuGH Rs. 117/76 u.a.; Karpenstein, Praxis des EG-Rechts, Rdnr. 272
m.w.N., München 2006). Bei den von der Richtlinie unterschiedenen
volkswirtschaftlichen Makrosektoren handelt es sich bereits nicht um
vergleichbare Sachverhalte: zum einen stellt der Makrosektor Energie und
Industrie trotz einer bereits erfolgten Reduzierung der CO2-Emissionen nach wie
vor den emissionsstärksten Bereich dar (vgl. u.a. Schweer/ von Hammerstein, § 7
TEHG, Rdnr. 35). Zum anderen nutzen die dem Emissionshandel unterworfenen
Anlagen der emissionsstarken Industrie und der Energiewirtschaft –anders als in
der Regel die Sektoren Haushalte und Verkehr- das Umweltmedium Luft für
kommerzielle Zwecke. Darüber hinaus sind die übrigen Sektoren zwar (derzeit) vom
Emissionshandel, nicht jedoch von der Erbringung von Verringerungsbeiträgen im
Rahmen anderer Maßnahmen ausgenommen (vgl. dazu auch Schweer/ von Hammerstein, §
7 TEHG, Rdnr. 34).
Über diese durch die Richtlinie vorgegebene,
gerechtfertigte Differenzierung hinaus findet durch die anteilige Kürzung des §
4 Abs. 4 ZuG 2007 auch keine gegen Art. 3 GG verstoßende gleichheitswidrige
Verschiebung zwischen den einzelnen volkswirtschaftlichen Sektoren statt: soweit
die Klägerinnen argumentieren, dass eine Kürzung (erst) erforderlich werde, wenn
sich im Laufe der Bearbeitung der Zuteilungsanträge herausstelle, dass mehr
Anlagen emissionshandelspflichtig im Sinne von § 2 Abs. 1 TEHG i.V.m. Anhang 1
sind, als ursprünglich angenommen (vgl. dazu auch Schweer/ von Hammerstein, § 7,
Rdnr. 38), so ist dem entgegenzuhalten, dass ein schutzwürdiges Vertrauen in
einen „Maximalbestand“ an emissionshandelspflichtigen Anlagen ebenso wenig
anzuerkennen ist wie ein Vertrauen in die Höhe der von anderen, bereits vor der
Zuteilung als emissionshandelspflichtig angesehenen Anlagen abzugebenden
Emissionen, welche ihrerseits die Gesamtmenge der zuzuteilenden Berechtigungen
erhöhen und zu einer (stärker ausfallenden) anteiligen Kürzung führen
können.
Soweit einzelne Klägerinnen geltend machen, § 4 Abs. 4 ZuG 2007
verstoße gegen Art. 3 GG, da die sog. Optionsanlagen, also diejenigen
Bestandsanlagen, welche die Zuteilung gemäß §§ 7 Abs. 12, 11 ZuG 2007 nicht
aufgrund ihrer historischen Emissionen, sondern unter Zugrundelegung einer
Produktionsprognose auf der Grundlage von sog. Benchmarks beantragt haben, nicht
von der anteiligen Kürzung erfasst seien, so liegt bereits keine
Ungleichbehandlung vor, da die Optionsanlagen sowohl nach der Anwendung durch
die Beklagte, als auch nach der Rechtsprechung der Kammer (vgl. Urteil der
Kammer vom 7. April 2006, VG 10 A 344.05 u.a.) ebenfalls der anteiligen Kürzung
des § 4 Abs. 4 ZuG 2007 unterfallen.
Auch bezüglich der Tatsache, dass
verschiedene andere Anlagengruppen wie beispielsweise (echte) Neuanlagen im
Sinne von §11 ZuG 2007, „jüngere Bestandsanlagen“ gemäß § 8 Abs. 1 ZuG 2007 oder
solche Anlagen, die nach dem 1. Januar 1994 bestimmte
Emissionsminderungsmaßnahmen vorgenommen haben (sog. early action), von § 4 Abs.
4 ZuG 2007 nicht erfasst werden, liegt keine verfassungswidrige
Ungleichbehandlung vor. Voraussetzung einer verfassungsrechtlich relevanten
Ungleichbehandlung ist zunächst, dass die zu vergleichenden Personen oder
Situationen einem gemeinsamen Oberbegriff unterfallen. Nach diesem Maßstab sind
weder Neuanlagen, noch Early-action-Anlagen oder jüngere Bestandsanlagen mit den
von der anteiligen Kürzung betroffenen Bestands- und Optionsanlagen auf der
Grundlage ihrer Ausgangssituation vergleichbar: zwar handelt es sich jeweils um
emissionshandelspflichtige Anlagen. Im Vergleich zu den Bestandsanlagen der
Klägerinnen erhalten Neuanlagen nach § 11 ZuG 2007 jedoch lediglich eine
bedarfsgerechte Ausstattung mit Berechtigungen, wenn sie bezüglich ihrer
CO2-Emissionen über die besten verfügbaren Techniken verfügen. Sie sind deshalb
grundsätzlich als klimafreundlicher zu bezeichnen. Anlagen, die von der
Early-action-Regelung des § 12 ZuG 2007 profitieren, werden durch die
Zuteilungsregeln begünstigt, weil sie bereits frühzeitig durch Investitionen in
moderne Anlagen zur –Verringerung der CO2-Emissionen beigetragen haben (vgl.
BT-Drs. 15/2966, S. 23). Eine Gleichbehandlung mit den übrigen Bestandsanlagen
würde faktisch zu einer Benachteiligung derjenigen Anlagen führen, die in der
relevanten Basisperiode nur deshalb weniger CO2 emittierten, weil sie bereits in
den 90-er Jahren des letzten Jahrhunderts in klimaschonendere Technologien
investiert hatten. Auf der Grundlage der Grandfathering-Methode mit der
Anwendung eines Erfüllungsfaktors würden diese Anlagen deutlich weniger
Berechtigungen erhalten.
Selbst wenn diejenigen Anlagen, die eine
Zuteilung nach §§ 8,11 oder 12 ZuG 2007 beantragt und erhalten haben, den
Bestandsanlagen der Klägerinnen vergleichbar wären, so wäre die durch die
Nichtanwendung der anteiligen Kürzung gemäß § 4 Abs. 4 ZuG 2007 entstandene
Ungleichbehandlung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Zum einen hat der
Gesetzgeber bezüglich der Ungleichbehandlung durch Normen einen weiten
Ermessens- und Gestaltungsspielraum (vgl. BVerfGE 80, 109, 118; 64, 158, 168 f.;
66, 84, 95; Jarass/Pieroth, Art. 3, Rdnr. 26). Dies gilt umso mehr, als es sich
bei der konkreten Zuteilung der Berechtigungen um eine gewährende staatliche
Leistung handelt. Vorliegend hat der Gesetzgeber mit den Zuteilungsregeln des
ZuG 2007 eine zulässige und notwendige Typisierung vorgenommen. Diese
Typisierung ist nicht willkürlich, sondern verfolgt den legitimen Zweck der
Umsetzung der Richtlinie 2003/87/EG unter Schaffung eines effizienten Marktes.
Eine Gleichbehandlung von Early-action-Anlagen, Neuanlagen und Bestandsanlagen
würde im Übrigen auch der Richtlinie zuwiderlaufen (vgl. u.a. Anhang III der
Richtlinie, Kriterien 3, 6 und 8). In diesem Zusammenhang muss auch
berücksichtigt werden, dass diejenigen Bestandsanlagen, die wie die Klägerinnen
die Zuteilung auf der Grundlage historischer Emissionen beantragt hatten, meist
ohnehin wegen ihrer hohen CO2-Ausstöße in den in der Vergangenheit liegenden
Basisperioden eine relativ hohe Ausstattung mit Berechtigungen erhalten
haben.
2.5 Schließlich begegnet die anteilige Kürzung gemäß § 4 Abs.
4 ZuG 2007 auch im Hinblick auf das aus dem Rechtsstaatsgebot des Art. 20 GG
abgeleitete Bestimmtheitsgebot und den Wesentlichkeitsgrundsatz keinen
verfassungsrechtlichen Bedenken.
Das Gebot der Normenbestimmtheit soll
den Betroffenen befähigen, die Rechtslage anhand der gesetzlichen Regelungen zu
erkennen, damit er sein Verhalten danach ausrichten kann (vgl. BVerfGE 83, 130,
145; 86, 288, 311; 108, 52, 75; 110, 33, 57). Zwar konnte der einzelne
Anlagenbetreiber im Zeitpunkt der Stellung seines Zuteilungsantrages nicht
absehen, ob es überhaupt zu einer anteiligen Kürzung kommen und wie hoch diese
gegebenenfalls ausfallen werde. Die Tatsache, dass eine Verknappung der
Berechtigungen eintreten würde und auch die Möglichkeit einer anteiligen Kürzung
bestand, war jedoch bereits im Zeitpunkt der Antragstellung allgemein bekannt.
Darüber hinaus stellte sich insoweit den betroffenen Anlagenbetreibern keine
Alternative, als diese faktisch durch § 10 Abs. 1 TEHG gezwungen waren, einen
Zuteilungsantrag zu stellen, wenn sie an der Verteilung der Berechtigungen
partizipieren wollten. Inwieweit die Klägerinnen darüber hinaus ihr Verhalten
von einer anteiligen Kürzung oder deren Höhe abhängig gemacht haben sollten,
erschließt sich nicht.
Soweit die Klägerinnen darüber hinaus rügen (VG 10
A 388.05), dass für die betroffenen Anlagenbetreiber in keiner Weise
nachvollziehbar sei, warum die Gesamtmenge an zuzuteilenden Berechtigungen, ab
deren Überschreitung es zu einer anteiligen Kürzung nach § 4 Abs. 4 ZuG 2007
kommt, auf 495 Mio. Tonnen Kohlendioxid festgelegt worden sei, so ist dem
zunächst entgegenzuhalten, dass dies schon deshalb keinen Verstoß gegen das
Gebot der Normenklarheit darstellt, weil dem Betroffenen in diesem Fall nicht
die Norm und deren Anwendung als solche, sondern allenfalls die dem Wortlaut des
Gesetzes zugrundeliegenden Motive unklar sind. Darüber hinaus ergibt sich die
Zahl von 495 Mio. Tonnen Kohlendioxid ohne weiteres aus dem nationalen
Allokationsplan (vgl. dort v.a. S. 17-22.), auf dem das Zuteilungsgesetz 2007
basiert.
Auch im Hinblick auf Aspekte des Vertrauensschutzes bestehen
keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 4 Abs. 4 ZuG 2007. Soweit die
Klägerinnen sich in diesem Zusammenhang darauf berufen, dass der dem
Zuteilungsgesetz zugrunde liegende nationale Allokationsplan noch keine
anteilige Kürzung vorgesehen hatte, ist dem entgegenzuhalten, dass der zweite
Erfüllungsfaktor gerade der Einhaltung des nationalen Allokationsplanes dienen
soll. Weiterhin stellt der Allokationsplan eine nicht justiziable planerische
Entscheidung der Bundesregierung dar (vgl. Körner/ Vierhaus, § 7 TEHG, Rdnr. 8).
Die außenwirksame Zuteilungsentscheidung erfolgt erst auf der Grundlage des
Zuteilungsgesetzes, so dass die Klägerinnen in die Bestimmungen des nationalen
Allokationsplanes kein schutzwürdiges Vertrauen entwickeln konnten.
Da
der Gesetzgeber klar geregelt hat, unter welchen Voraussetzungen es zu einer
anteiligen Kürzung gemäß § 4 Abs. 4 ZuG 2007 kommen werde, liegt schließlich
kein Verstoß gegen das Wesentlichkeitsgebot vor. Dass im Einzelfall die Behörden
das Vorliegen der Voraussetzungen prüfen und die anteilige Kürzung zur Anwendung
bringen, ist allein dem Umstand der Gewaltenteilung und der Vollziehung der
Gesetze durch die Exekutive geschuldet. Eine eigene, normunabhängige
Entscheidung über einen Grundrechtseingriff oder dessen Ausmaß steht der
zuständigen Behörde hingegen nicht zu.
IV. Die Beklagte hat bei der
Zuteilung die Regelung des § 4 Abs. 4 ZuG 2007 auch richtig angewandt. Die
Tatbestandsvoraussetzungen für die anteilige Kürzung waren im Zeitpunkt der
Zuteilung gegeben, da die zuzuteilende Menge die Zahl von 495 Mio.
überschritt.
1. Zwar ist den Klägerinnen insoweit Recht zu geben, als
bezüglich der Frage nach dem Bestehen eines Rechtsanspruches bei
Verpflichtungskonstellationen in der Regel der Zeitpunkt der letzten mündlichen
Verhandlung maßgeblich ist (vgl. Kopp/ Schenke, VwGO, § 113, Rdnr. 217, 14.
Aufl., München 2005). Entgegen der Auffassung der Klägerinnen stand ihnen jedoch
auch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung kein Anspruch auf die
begehrten zusätzlichen Berechtigungen zu, da die anteilige Kürzung des § 4 Abs.
4 Zug 2007 durch die Beklagte in zutreffender Weise angewandt wurde. Maßgeblich
für die Anwendung der anteiligen Kürzung gemäß § 4 Abs. 4 ZuG 2007 und die
Berechnung des Kürzungsfaktors war nämlich der von der Beklagten gewählte
Zeitpunkt unmittelbar vor Erlaß der Zuteilungsbescheide im Dezember 2004. Der
Zeitpunkt der maßgeblichen Sach- und Rechtslage ist stets dem materiellen Recht
zu entnehmen (BVerwGE 42, 296, 300). Die Auslegung der streitentscheidenden Norm
§ 4 Abs. 4 ZuG 2007 ergibt, dass für die Anwendung der anteiligen Kürzung kein
anderer Zeitpunkt in Betracht kommt.
1.1 Dies ergibt sich zunächst
bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift: danach kommt die anteilige Kürzung zur
Anwendung, wenn die Menge der zuzuteilenden Berechtigungen 495 Mio. Tonnen
Kohlendioxid übersteigt. Die attributive Verwendung des Gerundivums
verdeutlicht, dass die Kürzung zu einem Zeitpunkt berechnet werden muss, in dem
eine Zuteilung noch nicht stattgefunden hat (vgl. Körner/ Vierhaus, § 4 ZuG
2007, Rdnr. 18). Eine andere Beurteilung ist auch nicht dadurch gerechtfertigt,
dass im Rechtsfolgenteil der Norm davon die Rede ist, die vorgenommenen
Zuteilungen anteilig zu kürzen. Zwar ließe die Verwendung des Partizip Perfekt
(Partizip 2) als Verbaladjektiv den Schluss zu, dass eine Kürzung erst zu einem
–im einzelnen streitigen (vgl. Körner/Vierhaus, § 4 ZuG 2007, Rdnr. 16 f.) -
Zeitpunkt nach Erlass der eigentlichen Zuteilungsentscheidung zur Anwendung
käme. Aus dem Kontext der Vorschrift wird jedoch deutlich, dass das Partizip
Perfekt „vorgenommen“ im Zusammenhang mit dem Satzteil „nach den genannten
Vorschriften“ zu lesen ist und lediglich der Klarstellung dient, dass
Zuteilungen für echte Neuanlagen nach § 11 ZuG 2007 nicht der anteiligen Kürzung
unterfallen. Ein nach der Zuteilungsentscheidung liegender Zeitpunkt für die
Anwendung der anteiligen Kürzung soll dadurch nicht begründet werden.
1.2
Eine historische Auslegung der Vorschrift des § 4 Abs. 4 ZuG 2007 kommt zu
keinem anderen Ergebnis: eine Auslegung anhand der Gesetzesmaterialien ist nicht
möglich, da § 4 Abs. 4 ZuG 2007 erst im Laufe des Vermittlungsverfahrens in das
Gesetz eingefügt wurde und deshalb dazu im einzelnen keinerlei Materialien
existieren (BT-Drs. 15/2966, S. 19). Die Begründung zu § 17 ZuG 2007 stützt
jedoch die Annahme einer einmaligen Berechnung der anteiligen Kürzung vor Erlass
der Zuteilungsentscheidungen: danach muss die zuständige Behörde im Hinblick auf
eine rechtzeitige Zuteilungsentscheidung zu einem bestimmten Zeitpunkt das
Antragsverfahren schließen und eine Entscheidung auf der Basis der vorgelegten
Unterlagen treffen (BT-Drs. 15/2966, S. 26).
1.3 Die systematische
Auslegung von § 4 Abs. 4 ZuG 2007 führt ebenfalls zu der Annahme einer
einmaligen Berechnung der anteiligen Kürzung vor Erlass der Zuteilungsbescheide.
Das gesamte, durch TEHG und ZuG 2007 aufgestellte System des Emissionshandels
ist dadurch geprägt, dass die Zuteilung der Berechtigungen zu einem
einheitlichen Zeitpunkt zu Beginn der Handelsperiode erfolgt. So sieht
beispielsweise § 19 ZuG 2007 vor, dass die Gesamtmenge der Berechtigungen in
jeweils drei großen Teilmengen jährlich ausgegeben wird. Durch eine Kürzung nach
Erlass der Zuteilungsentscheidung während der Zuteilungsperiode könnte dies
nicht gewährleistet werden und die Bildung eines effizienten Marktes würde
erschwert.
1.4 Auch aus europarechtlicher Sicht stellt sich für die
Vornahme der anteiligen Kürzung der Zeitpunkt vor Erlass der endgültigen
Zuteilungsentscheidung als allein zulässig dar. Dies ergibt sich bereits daraus,
dass das gesamte System der Richtlinie 2003/87/EG ebenfalls von der Konstruktion
einer Vorabzuteilung ausgeht. Nachträgliche Anpassungen der zugeteilten
Berechtigungen, zu welchen ein flexibler Kürzungsfaktor oder eine Anwendung der
anteiligen Kürzung zu einem Zeitpunkt nach Erlass der erstmaligen
Zuteilungsentscheidung führen würden, verstießen deshalb gegen Art. 9 Abs. 3
Satz 2 der Richtlinie (vgl. auch Körner, § 4 ZuG 2007, Rdnr. 25). Auch das von
den Klägerinnen selbst ins Feld geführte, in der Richtlinie nicht explizit
enthaltene generelle Verbot von Ex-Post-Korrekturen spricht dafür, eine Kürzung
nur vor Erlass der Zuteilungsentscheidung zuzulassen. Diese Annahme findet ihre
Stütze auch darin, dass sowohl die Kommission, als auch das Gericht erster
Instanz davon ausgehen, dass es für das Entstehen eines Marktes für
Emissionsberechtigungen unabdingbar sei, dass der einzelne Anlagenbetreiber die
ihm zugeteilten Berechtigungen in seine Kalkulation einbeziehen könne. Jede
Planungs- und Investitionssicherheit sowie die Umlauffähigkeit der
Berechtigungen am Markt wären jedoch verloren, wenn die betroffenen
Anlagenbetreiber, nachdem ihnen in einer ursprünglichen Zuteilungsentscheidung
eine bestimmte Menge an Berechtigungen zugeteilt worden ist, stets mit der
Anwendung eines in seiner Höhe letztlich bis zum Ende der Zuteilungsperiode
nicht absehbaren Kürzungsfaktors rechnen müssten.
1.5 Schließlich würde
jede andere Auslegung von § 4 Abs. 4 ZuG 2007 dazu führen, dass die Vorschrift
gänzlich unpraktikabel wäre und deshalb nicht zur Anwendung gebracht werden
könnte. Würde man, wie teilweise vorgeschlagen, die anteilige Kürzung erst nach
Bestandskraft aller Zuteilungsentscheidungen zur Anwendung bringen, so führte
dies letztlich dazu, dass über keinen Zuteilungsantrag je entschieden werden
könnte, da vor Ablauf der Zuteilungsperiode nicht feststünde, ob die Gesamtmenge
von 495 Mio. Tonnen Kohlendioxid überschritten wurde oder nicht. Ein Abschluss
des Zuteilungsverfahrens wäre vor Ende der Zuteilungsperiode überhaupt nicht
denkbar (vgl. Körner/ Vierhaus, § 4 ZuG 2007, Rdnr. 28). Eine teleologische
Auslegung, die dem Gesetzgeber insoweit unterstellen darf, dass er
vollzugsfähige Gesetze schaffen will, führt demnach ebenfalls dazu, dass der für
die anteilige Kürzung maßgebliche Zeitpunkt vor Erlass der
Zuteilungsentscheidung liegen muss. Dies gilt umso mehr, als § 4 Abs. 4 ZuG 2007
als Stellschraube zwischen Makroplan und Mikroplan dem wichtigen Ziel der
Einhaltung des cap dient, ohne welches das gesamte Konzept des Emissionshandels
nicht funktionieren könnte.
2. Soweit die Klägerinnen rügen, der
Kürzungsfaktor sei –selbst wenn man entgegen ihrer Ansicht von einer einmaligen
Berechnung vor Erlass der Zuteilungsentscheidung ausginge- schon deshalb der
Höhe nach falsch berechnet worden, weil sich im Nachhinein gezeigt habe, dass
die Beklagte aus unterschiedlichen Gründen in vielen Fällen zu einem falschen
Zuteilungsergebnis gekommen sei und sich bei richtiger Anwendung der
Zuteilungsregeln ein für die Klägerinnen günstigerer Zuteilungsfaktor ergeben
hätte, so ist dem zunächst bereits entgegenzuhalten, dass in keiner Weise
eindeutig ist, dass etwaige Fehlzuteilungen durch die Beklagte sich stets nur
zugunsten der Klägerinnen ausgewirkt hätten. So sind beispielsweise allein bei
der Kammer zwei Rechtsstreite (VG 10 A 274.05 und VG 10 A 273.05) anhängig, bei
denen die Beklagte im Fall des Erfolges der dortigen Klägerinnen insgesamt ca.
19 Mio. Berechtigungen zu wenig zugeteilt hätte und der Kürzungsfaktor deshalb
zu Lasten der hiesigen Klägerinnen deutlich höher ausgefallen wäre. Ein
flexibler Kürzungsfaktor müsste in jedem Fall auch fehlerhaft erfolgte
Minderausstattungen berücksichtigen, ohne dass die Beklagte, wie die Klägerinnen
meinen, zur Erfüllung der entsprechenden Ansprüche Berechtigungen am Markt
zukaufen müsste. Die vom Gesetzgeber vorgegebenen Grenzen der Emissionsziele
stellen nach Auffassung der Kammer –unabhängig von der Bezeichnung als „Ziele“ –
starre Obergrenzen dar, die nicht ohne weiteres überschritten werden können.
Diese Auslegung wird auch dadurch gestützt, dass der Gesetzgeber nur für den
Fall, dass die Neuanlagenreserve gemäß § 6 ZuG 2007 nicht ausreicht,
ausdrücklich den Zukauf vorgesehen hat (§ 6 Abs. 3 Satz 1 ZuG 2007). Im
Umkehrschluss dazu lässt sich annehmen, dass ein darüber hinausgehender Zukauf
durch die Beklagte nicht geboten ist. Ein solcher würde darüber hinaus auf
nationaler Ebene dem Ziel der allgemeinen Verknappung zuwiderlaufen und die
Verminderung von CO2-Emissionen für die Anlagenbetreiber weniger attraktiv
machen.
Etwaige Fehlallokationen bei den ursprünglichen
Zuteilungsentscheidungen sind demnach für die Richtigkeit des Kürzungsfaktors
gemäß § 4 Abs. 4 ZuG 2007 irrelevant. Die eingeschränkte nachträgliche
Überprüfbarkeit ergibt sich bereits aus einer Auslegung des Wortlauts der Norm:
wenn § 4 Abs. 4 ZuG 2007 von den „zuzuteilenden“ Berechtigungen spricht, ist
diesem Begriff ein Element der behördlichen Einschätzung immanent. Dass dadurch
die behördlichen Zuteilungsentscheidungen und eine daraus resultierende
anteilige Kürzung gemäß § 4 Abs. 4 ZuG 2007 nicht der Willkür preisgegeben
werden, ergibt sich nicht zuletzt aus der aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art.
20 GG abzuleitenden Pflicht der Beklagten zu gesetzestreuem Verhalten. Darüber
hinaus hat die Zuteilungsbehörde gemäß § 17 Satz 1 ZuG 2007 die nach dem
Zuteilungsgesetz erforderlichen Angaben der Betreiber zu überprüfen. Die Daten,
auf welche die Beklagte die Zuteilungsentscheidung stützt, müssen gemäß § 17
Satz 3 ZuG 2007 ausreichend gesichert sein. Unter anderem wird dies dadurch
erreicht, dass die Angaben der Betreiber von unabhängigen Sachverständigen
verifiziert werden müssen, § 10 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 und 2 TEHG. Zweck dieser
Vorschriften ist es, die Richtigkeit der Zuteilungsentscheidungen zu
gewährleisten (vgl. Körner/ Vierhaus, § 17 ZuG 2007, Rdnr. 1). Da das
Antragsverfahren zu einem bestimmten Zeitpunkt geschlossen werden muss (vgl.
BT-Drs. 15/2966, S. 26), gilt für die unter Berücksichtigung von § 17 ZuG 2007
getroffenen Zuteilungsentscheidungen ein umfassender Richtigkeitsanspruch (vgl.
Körner/ Vierhaus, § 17 ZuG 2007, Rdnr. 4).
Zwar steht der Beklagten
keinerlei „Verfahrensermessen“ oder Beurteilungsspielraum bei der Bearbeitung
der Zuteilungsentscheidungen zu. Will man aber das gesamte Konzept der
anteiligen Kürzung nicht ad absurdum führen, muss es der Vorschrift des § 4 Abs.
4 ZuG 2007 inhärent sein, dass die anteilige Kürzung, die insoweit eine
Annäherung an das Emissionsziel mit einem gewissen Prognosecharakter darstellt,
zu einem bestimmten Zeitpunkt festgelegt wird und danach einer späteren
Überprüfung nicht zugänglich ist. Dadurch ggf. entstehende Ungenauigkeiten sind
der Natur des Zuteilungssystems geschuldet und müssen von den Klägerinnen im
Interesse eines funktionierenden Handelssystems und zur Einhaltung der
Klimaschutzziele hingenommen werden.
Darüber hinaus war im Zeitpunkt der
Zuteilung die zuzuteilende Gesamtmenge von 495 Mio. Tonnen Kohlendioxid
jedenfalls faktisch bereits dadurch überschritten, dass die entsprechenden
Berechtigungen auf die Betreiberkonten gebucht wurden und die Zuteilung der
Kommission gemäß mitgeteilt wurde. Dies war den Klägerinnen aufgrund der
verschiedenen Veröffentlichungen der Beklagten und der öffentlichen
Zugänglichkeit der Register auch bekannt.
Da es nach der Rechtsauffassung
des Gerichts aus den angeführten Gründen nicht darauf ankommt, ob aus heutiger
Sicht sämtliche 1849 Zuteilungsentscheidungen „richtig“ in dem Sinne waren, als
eine Zuteilung zum jetzigen Zeitpunkt identisch ausfiele, gebietet es die nach §
86 Abs. 1 VwGO bestehende Amtsermittlungspflicht auch nicht, dass das Gericht
–ggf. wie von den Klägerinnen vorgeschlagen, mit Hilfe einer
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft oder Anwaltskanzlei- die „Richtigkeit“
sämtlicher 1849 Zuteilungsentscheidungen zu überprüfen hat. Unabhängig von den
praktischen Schwierigkeiten und dem Aufwand, den eine solche Komplettprüfung
erforderte und welcher bereits die Frage nach der Zumutbarkeit der geforderten
Amtsermittlung aufwirft (vgl. dazu Kopp/ Schenke, § 86, Rdnr. 5), könnten zum
einen bestandskräftige Zuteilungsentscheidungen nicht ohne weiteres im hiesigen
Verfahren zur Überprüfung gestellt werden (vgl. Kopp/Schenke, § 86, Rdnr. 2
m.w.N.). Darüber hinaus befindet sich eine weitere Vielzahl von
Zuteilungsanträgen derzeit noch im Widerspruchsverfahren, so dass auch in diesem
Fall keine endgültige Überprüfung möglich wäre. Schließlich könnte eine
Überprüfung der einzelnen Zuteilungsentscheidungen durch das Gericht objektiv
keine höhere Richtigkeitsgewähr bieten, da auch diese –zumindest vor einer
rechtskräftigen Entscheidung- lediglich eine wiederum angreifbare
Rechtsauffassung darstellte. Insoweit würde es im Laufe der Instanzen zu einer
unendlichen Iteration durch permanente Neuberechnung des Faktors kommen. Ein
solcherart ausuferndes juristisches perpetuum mobile wollte der Gesetzgeber mit
§ 4 Abs. 4 ZuG 2007 nicht schaffen.
Der auf diese Weise von der
zuständigen Behörde vor Erlass der eigentlichen Zuteilungsentscheidung
ermittelte Kürzungsfaktor ist auch nicht flexibel in dem Sinne, als dass er
durch spätere Veränderungen der Zuteilungsmenge, etwa durch Entscheidungen im
Widerspruchsverfahren oder im Rahmen verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen,
während der Zuteilungsperiode ständig angepasst werden müsste (so aber Kobes in:
Elspas/Salje/Stewing: Emissionshandel, Kapitel 19, Rdnr. 97 ff.). Etwaige
nachträgliche Veränderungen lassen die Rechtmäßigkeit der anteiligen Kürzung und
die Höhe des Kürzungsfaktors in den angegriffenen Bescheiden unberührt und
führen nicht dazu, dass der sog. zweite Erfüllungsfaktor neu berechnet werden
müsste. Zum einen ist weder aus dem Gesetz, noch sonst ersichtlich, auf welche
Weise nachträgliche Veränderungen der verteilten Menge an Berechtigungen
berücksichtigt werden könnten bzw. müssten. Die vorliegende Situation ist
insoweit auch nicht mit klassischen Kontingent-Konstellationen, wie etwa dem
Hochschulzulassungsrecht vergleichbar, bei denen nachträgliche Veränderungen in
der Regel zu einem Anspruch auf weitere Ausschüttung des kontingentierten Gutes
führen. Im Unterschied zu sonstigen grundrechtstangierenden Budgetentscheidungen
ist eine Maximalauslastung der Kapazitäten im Emissionshandelsrecht
verfassungsrechtlich schon deshalb nicht zwingend geboten, weil die Einführung
des Emissionshandelssystems die Verknappung von CO2-Ausstoßrechten als Ziel hat
und die anteilige Kürzung des § 4 Abs. 4 ZuG 2007 eben keine
Ultima-Ratio-Funktion erfüllt. Im Übrigen wird die Grundrechtsausübung der
Eigentums- und Berufsfreiheit durch die Anwendung der anteiligen Kürzung in
keiner Weise vereitelt. Der Anlagenbetreiber ist lediglich gehalten, seine
CO2-Emissionen zu reduzieren oder auf dem Markt zusätzliche Berechtigungen zu
erwerben. Insoweit kann die Einführung des Emissionshandels statt mit einer
Kontingentierung eher mit der Einführung einer Steuer verglichen
werden.
Darüber hinaus könnte ein flexibler zweiter Erfüllungsfaktor
stets nur eine Momentaufnahme darstellen und wäre einer ständigen Veränderung
unterworfen. Diese Veränderung wiederum hinge jeweils u.a. davon ab, ob eine
Rücknahmeentscheidung, welche das Budget anschwellen und den Erfüllungsfaktor
schrumpfen ließe, bereits bestandskräftig ist. Eine solcher „Tageskurs“
entspricht erkennbar nicht dem Konzept des Zuteilungssystems und würde unter
Aufhebung jeder Planungssicherheit für die Anlagenbetreiber zu einer
ungewünschten Destabilisierung des Zertifikat-Marktes führen.
V. Da
die angegriffenen Zuteilungsbescheide aus den angeführten Gründen rechtmäßig
sind und die anteilige Kürzung des § 4 Abs. 4 ZuG 2007 nicht zum wiederholten
Male berechnet werden muss, steht den Klägerinnen schließlich auch kein Anspruch
auf Neubescheidung ihrer Zuteilungsanträge zu.
Ein zum Erfolg der Klagen
führender Anspruch auf weitere Zuteilung von Berechtigungen ergibt sich nicht
aus dem Hinweis der Beklagten in den Zuteilungsbescheiden, dass in der nächsten
Zuteilungsperiode eine zusätzliche Ausschüttung von Berechtigungen an die von
der anteiligen Kürzung besonders betroffenen nichtoptierenden Bestandsanlagen
geplant sei. Dabei handelt es sich nicht um eine rechtsverbindliche Zusicherung,
sondern lediglich um die Ankündigung einer politischen Initiative ohne
Bindungswirkung.
Die Kammer geht jedoch davon aus, dass eine Ausschüttung
„überschüssiger“, d.h. an die Beklagte zurückgeflossener Berechtigungen zur
Wahrung der Rechtsschutzinteressen der Klägerinnen rechtlich zulässig und
rechtspolitisch geboten sein dürfte. Eine solche Nachverteilung mag zwar für die
Beklagte mit einem gewissen logistischen Aufwand und praktischen Schwierigkeiten
verbunden sein; mit Blick auf das Rechtsschutzinteresse der Klägerinnen und
anderer betroffener Anlagenbetreiber erscheint dies jedoch hinnehmbar. Eine
erneute Auskehr von zurückgeflossenen Berechtigungen stellt letztlich eine Form
der Folgenbeseitigung dar, welche im Rahmen eines eigenständigen neuen
Verfahrens angestrebt werden müsste. Im vorliegenden Verfahren könnte der
Anspruch nicht durchgesetzt werden, da zum einen wegen des für die Kürzung
maßgeblichen Zeitpunktes die ursprüngliche Zuteilungsentscheidung rechtmäßig ist
und die Sache darüber hinaus derzeit nicht spruchreif ist. Wie aufgrund der
Antwort der Beklagten vom 20. März 2006 auf den gerichtlichen Auflagenbeschluss
vom 24. Februar 2006 erkennbar geworden ist, stehen zum jetzigen Zeitpunkt keine
Berechtigungen zur Verteilung an die Klägerinnen zur Verfügung.
Inwieweit
es zu einem späteren Zeitpunkt zu einer Nachverteilung kommen kann, kann derzeit
nicht beurteilt werden. Denkbar wäre beispielsweise die Ausschüttung zu
bestimmten Stichtagen, die etwa nach der jährlichen Emissionsberichterstattung
liegen könnten. Ob eine derartige Folgenbeseitigung erst am Ende oder gar nach
Ablauf der Zuteilungsperiode möglich ist, da erst zu diesem Zeitpunkt sicher
feststehen wird, wie viele Berechtigungen tatsächlich an die Beklagte
zurückgeflossen sind, und inwieweit dann etwaige Rechtsanwendungsfehler durch
die Beklagte, welche zu einer im Nachhinein unnötig erscheinenden anteiligen
Kürzung geführt hätten, einen Schadenersatzanspruch der betroffenen
Anlagenbetreiber auslösen könnten, kann jedoch im vorliegenden Verfahren
dahinstehen.
Einer Ausschüttung zurückgeflossener Berechtigungen an die
von der Kürzung betroffenen Anlagenbetreiber steht jedenfalls zunächst nicht,
wie die Beklagte meint, entgegen, dass eine solche Nachverteilung weder im TEHG,
noch im ZuG 2007 explizit vorgesehen ist. Die Gewährung einer zusätzlichen
Begünstigung für die Anlagenbetreiber bedarf keiner ausdrücklichen gesetzlichen
Grundlage.
Zwischen den Verfahrensbeteiligten ist unstreitig, dass es im
Rahmen der Bearbeitung der ursprünglichen Zuteilungsentscheidungen zu
Fehlallokationen gekommen ist, welche bei einzelnen Anlagenbetreibern zu
überhöhten oder zu geringen Zuteilungen geführt und den Kürzungsfaktor gemäß § 4
Abs. 4 ZuG 2007 beeinflusst haben. Aufgrund des Rechtsstaatsprinzips und gemäß §
11 TEHG ist die zuständige Behörde verpflichtet, die Richtigkeit der
Zuteilungsentscheidungen nachträglich zu überprüfen. Bestehen Anhaltspunkte für
eine unrichtige Entscheidung und stellt sich diese als rechtswidrig heraus, so
hat die Beklagte nach den allgemeinen Regeln des § 48 VwVfG den
Zuteilungsbescheid insoweit zurückzunehmen. In diesem Zusammenhang ist es
irrelevant, ob die ursprüngliche Entscheidung auf falschen Angaben des
Anlagenbetreibers beruhte oder aufgrund eines Rechtsanwendungs- oder sonstigen
Fehlers bei der Behörde falsch war.
Weder das ZuG 2007, noch das TEHG
sehen vor, wie mit solchen zurückfließenden Berechtigungen außerhalb der
Ex-Post-Kontrolle (z.B. nach § 8 Abs. 4 ZuG 2007) zu verfahren ist. Wenn der
Zuteilungsanspruch der Anlagenbetreiber gemäß § 4 Abs. 4 ZuG 2007 aufgrund von
fehlerhaften Überallokationen gekürzt wurde, so erscheint es aus Gründen des
Lastenausgleichs gerechtfertigt, die nachträglich zurückgeflossenen
Berechtigungen wiederum dem Budget zuzuführen, dem sie ursprünglich zu Lasten
der von der Kürzung betroffenen Anlagenbetreiber entnommen wurden. Anderenfalls
gingen diese Berechtigungen dem Markt ohne Ausgleich verloren. Zwar führte dies
zu einer Verstärkung des vom Gesetzgeber erstrebten Verknappungseffekts. Bei der
Schaffung des Zuteilungssystems waren jedoch auch die Interessen der betroffenen
Wirtschaftskreise zu berücksichtigen. Bereits die Existenz der anteiligen
Kürzung gemäß § 4 Abs. 4 ZuG 2007 verdeutlicht, dass es dem Gesetzgeber gerade
nicht um eine maximale Verknappung der Berechtigungen, sondern um eine
weitestgehende Ausschöpfung der Verteilungsmenge ging. Da das ZuG 2007 weiterhin
nicht vorsieht, dass zurückfließende Berechtigungen automatisch gelöscht werden
oder der Neuanlagenreserve zufließen sollen, ist davon auszugehen, dass diese
auch nach Rückfluss für eine Verteilung zur Verfügung stehen und dem Markt nicht
entzogen werden sollen. Die von der Beklagten favorisierte analoge Anwendung von
§ 6 Abs. 2 ZuG 2007, wonach bestimmte, im Rahmen der Ex-Post-Kontrolle
widerrufene Berechtigungen der Reserve für Neuanlagen zufallen, verkennt, dass
die vorliegende Regelungslücke nicht planwidrig sein dürfte. Zum einen
differenziert die Norm deutlich zwischen den verschiedenen Widerrufsgründen.
Hätte der Gesetzgeber schlicht alle zurückfließenden Berechtigungen der
Neuanlagenreserve unterstellen wollen, so hätte er auf diese detaillierten
Unterscheidungen verzichten können.
Die zurückfließenden Berechtigungen
sind auch nicht wegen Art. 38 Abs. 3 RegV (Verordnung EG Nr. 2216/2004 der
Kommission vom 21. Dezember 2004) zwingend zu löschen. Zum einen handelt es sich
bei der Verteilung der Berechtigungen im Einzelnen um eine Materie, die dem
nationalen Gesetzgeber zugewiesen ist. Zum anderen ist Regelungsgegenstand der
RegV lediglich die registerrechtliche Handhabung der Berechtigungen, nicht
jedoch materiell-rechtliche Aspekte der Zuteilung. Schließlich betrifft Art. 38
Abs. 3 RegV nur diejenigen Fälle, in denen es nach einer von der Kommission
genehmigten Korrektur der nationalen Zuteilungstabelle zu einer Reduzierung der
zu verteilenden Gesamtmenge kommt. Die Frage, ob es zu einer solchen Korrektur
„nach unten“ in jedem Fall bei zurückfließenden Berechtigungen kommen muss,
beantwortet die RegV naturgemäß nicht. Dass nicht alle zurückgegebenen
Berechtigungen automatisch zu löschen sind, ergibt sich im Übrigen
beispielsweise aus Art. 41 RegV, wonach unter bestimmten Umständen
zurückgegebene Zertifikate auf dem Konto der Vertragspartei
verbleiben.
Darüber hinaus bestehen auch im Hinblick auf das der
Richtlinie 2003/87/EG vermeintlich innewohnende Verbot der Ex-Post-Korrektur
keine Bedenken gegen eine Nachverteilung zurückgeflossener Berechtigungen.
Zunächst führte eine Nachverteilung nicht zu einer Erhöhung der Gesamtmenge der
zu verteilenden Berechtigungen. Weiterhin gefährdete eine solche nachträgliche
Ausschüttung auch nicht die Entstehung und Stabilität des Zertifikate-Marktes,
da sie die Liquidität allenfalls stärken könnte (vgl. dazu 1.3).
Eine
Nachverteilung der zurückgeflossenen Berechtigungen muss nach Auffassung der
Kammer folgende Aspekte berücksichtigen: zum einen darf sie nur bestandskräftige
Widerrufs- oder Rücknahmeentscheidungen bzw. die freiwillige Rückgabe von
Berechtigungen in die Nachverteilung einbeziehen. Weiterhin muss die Widerrufs-
oder Rücknahmeentscheidung insoweit vollzogen sein, als die Berechtigungen
tatsächlich durch Umbuchung an die Konten der Beklagten zurückgegeben worden und
auf dem nationalen Vertragskonto tatsächlich verfügbar sind. Bloße zu erwartende
Rückflüsse oder Verfahren, in denen die Rückgabe streitbefangen ist, stehen zur
Ausschüttung nicht zur Verfügung, da sonst die Gefahr einer Überschreitung der
insgesamt zu verteilenden Menge von 495 Mio. oder der Notwendigkeit des nicht
vorgesehenen Zukaufs von Berechtigungen durch die Beklagte bestünde.
Aus
dem gleichen Grunde darf die Beklagte bei der Auskehr der Berechtigungen eine
Saldierung vornehmen, welche etwaige fehlerhafte Minderallokationen
berücksichtigt und diese gegen die Rückflüsse aufrechnet. Dies erscheint schon
deshalb sinnvoll und notwendig, weil die ursprüngliche Einbeziehung dieser
Berechtigungen zu einer weiteren Belastung der Gesamtmenge und damit zu einer
Verschärfung des Kürzungsfaktors geführt hätte. Es ist nicht ersichtlich, warum
die Anlagenbetreiber durch Zuteilungsfehler zu ihren Gunsten besser gestellt
werden sollten. Einen Zukauf durch die Beklagte sieht das Gesetz nur
ausnahmsweise in § 6 Abs. 3 ZuG 2007 vor. Der Gefahr eines späteren negativen
Saldos nach einer erfolgten Nachverteilung könnte unter anderem durch die
Aufnahme von Widerrufsvorbehalten in die Nachverteilungsentscheidungen begegnet
werden.
Auch eine Kompensation der Klägerinnen durch Nachverteilung der
im Rahmen der Ex-Post-Kontrolle von den sog. Optierern zurückgeflossenen
Berechtigungen ist nicht ausgeschlossen. Die Ergebnisse der
Emissionsberichterstattung haben gezeigt, dass die Optierer größtenteils im
Rahmen der ursprünglichen Zuteilungsentscheidung aufgrund stark überhöhter
Produktionsprognosen deutlich mehr Berechtigungen erhalten haben, als ihnen
tatsächlich zustehen. Da die anteilige Kürzung gemäß § 4 Abs. 4 ZuG 2007 wohl
überhaupt erst wegen der großen Inanspruchnahme der Optionsregelung und der
hohen Produktionsprognosen der Optionsanlagen erforderlich geworden war, muss
eine Nachverteilung einen Ausgleich zugunsten der von der Kürzung betroffenen
nichtoptierenden Bestandsanlagen schaffen. Zwar sieht § 6 Abs. 2 ZuG 2007 vor,
dass diejenigen Berechtigungen, welche aufgrund von Widerrufsentscheidungen
gemäß §§ 8 Abs. 4 und 11 Abs. 5 ZuG 2007 zurückgeflossen oder nicht ausgegeben
worden sind, der Neuanlagenreserve zufließen. Zwar richtet sich gemäß § 7 Abs.
12 Satz 1 ZuG die Zuteilung bei den sog. Optionsanlagen nach § 11 ZuG 2007;
allerdings sieht § 7 Abs. 12 Satz 2 ZuG 2007 vor, dass § 6 ZuG 2007 keine
Anwendung findet. Eine rein am Wortlaut orientierte Auslegung muss zu dem
Ergebnis kommen, dass dies § 6 ZuG 2007 in Gänze und nicht, wie die Beklagte
annimmt, lediglich § 6 Abs. 1 ZuG 2007 betrifft. Dies wird durch eine
teleologische Auslegung gestützt: die Optionsanlagen bleiben ihrer Natur nach
Bestandsanlagen, auf welche –auch von der Beklagten- die anteilige Kürzung
angewandt wird und welche, im Gegensatz zu den „echten“ Neuanlagen nach § 11 ZuG
2007 in die nach § 4 Abs. 4 ZuG 2007 zu berechnende Gesamtmenge von 495 Mio.
Tonnen einbezogen werden. Stellt sich im Nachhinein heraus, dass die
Produktionsprognosen der Optierer überhöht waren und diese im Rahmen der
Ex-Post-Korrektur Berechtigungen abgeben müssen, so findet eine durch nichts zu
rechtfertigende Lastenumverteilung zu Ungunsten der Bestandsanlagen und zu
Gunsten der Neuanlagenreserve statt. Eine unendliche Speisung der Reserve nach §
6 ZuG 2007 mit Berechtigungen hat der Gesetzgeber gerade nicht angestrebt: für
den Fall, dass diese nicht ausreichen sollte, ist explizit der Zukauf von
Berechtigungen durch die Beklagte vorgesehen.
Bislang ist allerdings der
Großteil der in Rede stehenden Berechtigungen nicht an die Beklagte
zurückgeflossen, weil im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch keine
Widerrufsentscheidung nach § 8 Abs. 4 ZuG 2007 ergangen ist. Da diese
Ex-Post-Korrektur derzeit noch Gegenstand eines Klageverfahrens der Beklagten
vor dem Europäischen Gericht erster Instanz ist, ist nicht absehbar, ob und wann
die erforderlichen Widerrufsentscheidungen ergehen werden, inwieweit diese
Bestandskraft erlangen werden und die Berechtigungen tatsächlich an die Beklagte
zurückgebucht werden.
VI. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs.
1 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167
Abs. 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO (bzw. § 709).
Gemäß §§
124 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO war wegen der grundsätzlichen
Bedeutung der Sache die Berufung zuzulassen. Aus dem gleichen Grunde wird gemäß
§§ 134 Abs. 1, Abs. 2 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 die Sprungrevision
zugelassen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den
Beteiligten entweder die Berufung oder bei schriftlicher Zustimmung aller Kläger
und Beklagten die Revision zu.
Die Berufung ist bei dem
Verwaltungsgericht Berlin, Kirchstraße 7, 10557 Berlin, innerhalb eines Monats
nach Zustellung des Urteils einzulegen.
Die Berufung ist innerhalb von
zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründung ist,
sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Hardenbergstraße 31, 10623 Berlin,
einzureichen.
Die Revision ist bei dem Verwaltungsgericht Berlin,
Kirchstraße 7, 10557 Berlin, innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils
einzulegen. Die Revisionsfrist ist auch gewahrt, wenn die Revision innerhalb der
Frist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig,
schriftlich oder in elektronischer Form nach Maßgabe der Verordnung über den
elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim
Bundesfinanzhof vom 26. November 2004 (BGBl. I S. 3091) eingelegt wird. Die
Zustimmung zu der Einlegung der Revision ist der Revisionsschrift beizufügen
oder innerhalb der Revisionsfrist nachzureichen.
Die Revision ist
innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils zu begründen. Die
Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig,
schriftlich oder in elektronischer Form einzureichen.
Für das
Berufungsverfahren und das Revisionsverfahren besteht Vertretungszwang; dies
gilt auch für die Einlegung der Berufung und für die Einlegung der Revision.
Danach muss sich jeder Beteiligte, soweit er einen Antrag stellt, durch einen
Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des
Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten
vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden
können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt
sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte
oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde
oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied
zugehören, vertreten lassen.
VG 10 A
372.05
VERWALTUNGSGERICHT BERLIN
URTEIL
Im Namen des
Volkes
In der Verwaltungsstreitsache
der AG,
vertreten durch
den Vorstand,
Klägerin,
Verfahrensbevollmächtigte(r)
:
Rechtsanwälte
g e g e n
die Bundesrepublik
Deutschland,
vertreten durch Umweltbundesamt,
Deutsche
Emissionshandelsstelle,
Bismarckplatz 1, 14193 Berlin,
Postfach 330022 -
PLZ: 14191,
Beklagte,
hat das Verwaltungsgericht Berlin, 10.
Kammer, aufgrund
der mündlichen Verhandlung vom 7. April 2006
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht
die
Richterin
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht
die ehrenamtliche
Richterin
sowie die ehrenamtliche Richterin,
für Recht
erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten
des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung
vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung in Höhe von 110 %
des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte
vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung und die Sprungrevision
werden zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen
die Kürzung der ihr zugeteilten Berechtigungen nach dem
Treibhausgasemissionshandelsgesetz bzw. dem Zuteilungsgesetz 2007.
Im
sog. Kyoto-Protokoll vom Dezember 1997 verpflichteten sich die Europäische Union
sowie ihre einzelnen Mitgliedsstaaten zu einer Reduzierung ihrer
Treibhausgasemissionen. Zur Erfüllung dieser Verpflichtung einigten sich die
EU-Mitgliedsstaaten untereinander auf eine Lastenverteilung (sog.
Burden-sharing-agreement), welche den Mitgliedsstaaten unterschiedliche
Klimaschutzziele vorgibt. Die Beklagte muss nach der Lastenvereinbarung ein
Emissionsminderungsziel von 21 % gegenüber 1990 erfüllen. Durch die sog.
Emissionshandelsrichtlinie vom 13. Oktober 2003 wurden die Mitgliedsstaaten der
EU zur Einführung eines anlagenbezogenen Emissionshandelssystems in den Sektoren
Energiewirtschaft und energieintensive Industrie verpflichtet. In der
Bundesrepublik wurden zur Umsetzung der Emissionshandelsrichtlinie u.a. das
Gesetz über den Handel mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen (TEHG)
sowie das Gesetz über den nationalen Zuteilungsplan für
Treibhausgas-Emissionsberechtigungen in der Zuteilungsperiode 2005 bis 2007 (ZuG
2007) erlassen. Während das TEHG den Rahmen für den Emissionshandel insgesamt
vorgibt, legt das ZuG jeweils für eine Zuteilungsperiode die konkreten
Allokationsregeln fest. Das Grundprinzip des Emissionshandels besteht darin, zur
Einhaltung der international eingegangenen Verpflichtungen auf nationaler Ebene
eine Obergrenze für die Emission von Kohlendioxid festzulegen, welche dann durch
die Ausgabe von sog. Berechtigungen auf die einzelnen Anlagenbetreiber verteilt
wird. Im Folgejahr muss der Anlagenbetreiber eine der Menge der von ihm
verursachten CO2-Emissionen entsprechende Menge an Berechtigungen abgeben.
Reicht die Menge der zugeteilten Berechtigungen im Einzelfall nicht aus, so hat
der Anlagenbetreiber die Wahl, seine Emissionen entweder durch
Modernisierungsmaßnahmen selbst zu vermindern oder auf dem Markt zusätzliche
Berechtigungen zu erwerben.
Die Klägerin ist ein Unternehmen der
Energiewirtschaft und betreibt u.a. das Heizwerk W_____. Dabei handelt es sich
um eine sog. Optionsanlage, d.h. eine Anlage, für welche die Klägerin die
Zuteilung von Berechtigungen nicht nach dem sog. Grandfathering-Prinzip des § 7
Abs. 1 bis 6 ZuG 2007 auf der Grundlage historischer Emissionen, sondern gemäß
der sog. Optionsregelung des § 7 Abs. 12 ZuG 2007 nach § 11 ZuG 2007, der für
Neuanlagen maßgeblichen Vorschrift, beantragt hatte. Die Zuteilung nach § 11 ZuG
2007 erfolgt aufgrund einer Prognose der Produktionsmenge und unter
Zugrundelegung sog. Benchmarks. Darunter versteht man Emissionswerte, die
Anlagen gleicher Produktionsart je erzeugter Produkteinheit bei bester
verfügbarer Technik aufweisen.
Im Rahmen von Musterverfahren wendet sich
die Klägerin zusammen mit den Klägerinnen der Verfahren VG 10 A 295.05, VG 10 A
344.05, VG 10 A 352.05 und VG 10 A 462.05 gegen eine konkrete Zuteilungsregel,
die eine Vielzahl von Anlagenbetreibern betrifft. § 4 Abs. 4 ZuG 2007 sieht für
den Fall, dass die Gesamtmenge der zuzuteilenden Berechtigungen mit Ausnahme der
nach § 11 für Neuanlagen zuzuteilenden Berechtigungen pro Jahr den Gegenwert von
495 Mio. Tonnen Kohlendioxid übersteigt, vor, dass die vorgenommenen Zuteilungen
an die Anlagen, die dem Erfüllungsfaktor (§ 5 ZuG 2007) unterliegen, anteilig
gekürzt werden.
Nach Berechnungen der Beklagten ist es für die erste
Zuteilungsperiode zu einer Überschreitung um 42 Mio. Tonnen, also von 14 Mio.
Tonnen pro Jahr gekommen. Deshalb wurde auch bei der Klägerin die Zuteilung
unter Berufung auf § 4 Abs. 4 ZuG 2007 um insgesamt ca. 4,62 %
gekürzt.
Die Klägerinnen in den Musterverfahren halten die anteilige
Kürzung für rechtswidrig und beanstanden darüber hinaus deren Anwendung auf
Optionsanlagen. Sie begehren in erster Linie die Mehrzuteilung von
Berechtigungen, wie sie sich ohne die Anwendung des Kürzungsfaktors
ergäbe.
Sie sind teilweise der Ansicht, das Emissionshandelssystem sei
bereits insgesamt gemeinschaftsrechtswidrig, da es in die Nutzungsbefugnis an
Produktionsanlagen und in die gemeinschaftsrechtlich geschützte Berufsfreiheit
eingreife und dieser Eingriff mangels Übergangs- und Härtefallregelungen nicht
zumutbar sei.
Darüber hinaus meinen die Klägerinnen, § 4 Abs. 4 ZuG 2007
werde den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen der Emissionshandelsrichtlinie
nicht gerecht, da insbesondere das dort geregelte Transparenzgebot verletzt
werde. Der einzelne müsse in der Lage sein, die exakte Anzahl der ihm
zuzuteilenden Berechtigungen selbst zu ermitteln, was im Rahmen von § 4 Abs. 4
ZuG 2007 nicht gewährleistet sei. Ferner würden im Rahmen von § 4 Abs. 4 ZuG
2007 die individuellen Emissionsminderungspotentiale der einzelnen Anlagen nicht
beachtet, wie dies jedoch von der Emissionshandelsrichtlinie gefordert
werde.
Zudem verstoße § 4 Abs. 4 ZuG 2007 gegen deutsches
Verfassungsrecht, u.a. gegen das aus Art. 20 Abs. 3 GG resultierende
Rechtsstaatsprinzip. Zum einen sei § 4 Abs. 4 Zug 2007 zu unbestimmt und
entspreche nicht den Anforderungen an Normklarheit und Widerspruchsfreiheit, da
sich dem Normadressaten die auf ihn zukommende Belastung nicht in konkreter
Weise erschließe. Darüber hinaus sei aufgrund der Formulierung unklar, welche
Anlagen überhaupt von der Kürzung erfasst würden und wie sich die Gesamtmenge
der zuzuteilenden Berechtigungen errechne.
Die anteilige Kürzung des § 4
Abs. 4 ZuG 2007 stelle weiterhin als wirtschaftslenkende Maßnahme einen Eingriff
in die durch Art. 12 GG garantierte Berufsfreiheit in Form einer
Berufsausübungs- bzw. gar einer Berufswahlregelung dar. Dieser Eingriff sei
rechtswidrig, da er nicht durch ausreichende Gründe des Allgemeinwohls
gerechtfertigt und darüber hinaus unverhältnismäßig sei. Die Klägerinnen meinen
weiter, die Vorschrift des § 4 Abs. 4 ZuG 2007 sei bereits nicht geeignet, um
das mit ihr und dem ZuG 2007 insgesamt verfolgte Ziel zu fördern.
Die in
§ 4 Abs. 4 ZuG 2007 vorgesehene anteilige Kürzung sei darüber hinaus auch nicht
erforderlich. Dies ergebe sich schon daraus, dass sie weder in der
Emissionshandelsrichtlinie, noch im ersten Gesetzentwurf des Zuteilungsgesetzes
2007 vorgesehen gewesen sei. Von der Systementscheidung des europäischen
Gesetzgebers für den Emissionshandel sei sie nicht erfasst. Belegt werde dies im
Übrigen dadurch, dass keiner der nationalen Allokationspläne der 24 übrigen
Mitgliedsstaaten eine solche anteilige Kürzung enthalte.
Außerdem sei die
anteilige Kürzung nur dann erforderlich, wenn das nationale Emissionsziel als
starre Obergrenze anzusehen sei. Dies lege zwar das dem Emissionshandel zugrunde
liegende Prinzip des „cap and trade“ nahe; dem Wortlaut und der systematischen
Stellung nach handele es sich jedoch bei dem nationalen Emissionsziel um eine
unverbindliche Vorgabe bzw. um einen „Programmsatz“, der eine bloße staatliche
Selbstverpflichtung begründe. Darüber hinaus sei die durch den Gesetzgeber
vorgenommene Mengenplanung auch deshalb fehlerhaft, weil das Mengengerüst auf
der Grundlage einer freiwilligen Datenerhebung der Anlagenbetreiber ermittelt
worden sei, ohne dass diese Angaben auf ihre Richtigkeit überprüft worden wären.
Damit genüge die Mengenplanung nicht den vom Bundesverfassungsgericht an
Prognoseentscheidungen gestellten Anforderungen.
Die anteilige Kürzung
sei auch insoweit nicht erforderlich im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgebots,
als die Beklagte durch den staatlichen Ankauf von Berechtigungen oder
Emissionsgutschriften aus Joint-implementation (JI)- oder
Clean-development-mechanism (CDM)-Projekten, den sog. flexiblen Mechanismen, für
die Einhaltung des Ziels Sorge tragen könne, was in den Allokationsplänen
anderer Mitgliedsstaaten auch ausdrücklich vorgesehen sei. Als milderes Mittel
wäre darüber hinaus auch die verstärkte sektorenbezogene Allokation in Betracht
zu ziehen gewesen.
Darüber hinaus verletze § 4 Abs. 4 ZuG 2007 das
Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 GG. Der mit der Einführung des Emissionshandels
erfolgte grundlegende Systemwechsel stelle einen rechtswidrigen Eingriff in
bestandskräftige Eigentumspositionen dar. Ferner sei die Regelung des § 4 Abs. 4
ZuG 2007 in Ermangelung einer spezifischen Härtefallregelung, welche eine
Ausnahme von der anteiligen Kürzung vorsehe, verfassungswidrig. Die
Härtefallvorschriften der § 7 Abs. 10 und 11 ZuG 2007 stellten keine geeignete
Kompensationsmöglichkeit dar, da im Zeitpunkt der Antragstellung für die
Betreiber noch nicht absehbar gewesen sei, ob und in welcher Höhe eine anteilige
Kürzung vorgenommen werden würde.
Schließlich sei § 4 Abs. 4 ZuG 2007
auch deshalb verfassungswidrig, weil die Anwendung der anteiligen Kürzung zu
gleichheitswidrigen Ergebnissen führe. Zunächst komme es zu Lasten von Energie
und Industrie zu einer Verschiebung zwischen den einzelnen volkswirtschaftlichen
Sektoren, da derzeit nur diese vom Emissionshandel erfasst seien. Dabei würden
auch die unterschiedlichen Emissionsminderungspotentiale der einzelnen Sektoren
und Anlagen nicht berücksichtigt. Darüber hinaus würden innerhalb der
betroffenen Sektoren Neuanlagen ( § 11 ZuG 2007), jüngere Bestandsanlagen, die
zwischen 1. Januar 2003 und 31. Dezember 2004 in Betrieb genommen worden sind (
§ 8 ZuG 2007), und solche, die nach 1994 bestimmte Emissionsminderungsmaßnahmen
durchgeführt hätten (§ 12 ZuG 2007, sog. Early-Action-Anlagen), gegenüber den
Bestandsanlagen insgesamt bevorzugt, da auf diese Anlagen die anteilige Kürzung
des § 4 Abs. 4 ZuG 2007 nicht angewandt werde. Die Anwendung der anteiligen
Kürzung auf die Optionsanlagen stelle auch deshalb einen Verstoß gegen Art. 3 GG
dar, da die Optionsanlagen im Gegensatz zu den „echten“ Neuanlagen ohne
sachlichen Grund schlechter gestellt würden, obwohl diese aufgrund der
jeweiligen Zugrundelegung der Benchmarks derselben Vergleichsgruppe angehörten.
Es sei vielmehr gerechtfertigt, diese beiden Anlagentypen, die jeweils moderne
Anlagen mit geringerem Emissionsminderungspotential betrieben als
nichtoptierende Bestandsanlagen, letzteren gegenüber durch die Aussparung von
der anteiligen Kürzung zu bevorzugen. Die Nichtanwendung des zweiten
Erfüllungsfaktors auf die Optionsanlagen führe auch nicht, wie die Beklagte
meine, zu einer zweckwidrigen Besserstellung derselben gegenüber den sonstigen
Bestandsanlagen. Die Optionsanlagen hätten sich bewusst den Benchmarks, also den
besten verfügbaren Techniken unterworfen. Bei diesen ohnehin hohen technischen
Standards entsprechenden Anlagen bestehe kein Bedürfnis, weitere
Kohlendioxidreduktionsanreize zu schaffen.
Mit der undifferenzierten
Anwendung der anteiligen Kürzung des § 4 Abs. 4 ZuG 2007 habe der Gesetzgeber
eine unzulässige Typisierung vorgenommen. Eine ausgewogene Lastenverteilung sei
jedoch ohne weiteres möglich gewesen. Die Höhe des Kürzungsfaktors zeige, dass
die Austarierung der Zuteilungsregeln nicht gelungen sei. Nach Ansicht der
Klägerinnen sei es regelrecht systemwidrig, den „zweiten Erfüllungsfaktor“ des §
4 Abs. 4 ZuG 2007 auf Anlagen anzuwenden, bei denen der erste Erfüllungsfaktor
des § 5 ZuG 2007 nicht zum Zuge komme. Die Klägerinnen meinen ferner, ein
wichtiges Anliegen der von der Option Gebrauch machenden Anlagen sei es, durch
die Nichtanwendung des ersten Erfüllungsfaktors über einen Zeitraum von 14
Jahren Planungs- und Investitionssicherheit zu gewinnen. Diese werde jedoch
durch die Anwendung der anteiligen Kürzung zunichte gemacht.
Wortlaut,
Systematik und Sinn und Zweck des § 4 Abs. ZuG 2007 verböten die Anwendung der
Vorschrift auf Optionsanlagen. Der Wortlaut des § 4 Abs. 4 ZuG 2007 nehme die
Optionsanlagen in doppelter Hinsicht aus dem Anwendungsbereich aus: zum einen
seien Zuteilungen nach § 11 ZuG 2007 ausdrücklich aus der zu berücksichtigenden
Gesamtmenge ausgeschlossen; zum anderen sollten nur solche Anlagen von der
anteiligen Kürzung betroffen sein, die dem Erfüllungsfaktor unterliegen. Nach §
7 Abs. 12 i.V.m. § 11 Abs. 1 Satz 3 ZuG 2005 treffe dies gerade auf die
Optionsanlagen nicht zu.
Insbesondere sei der Verweis in § 7 Abs. 12 ZuG
auf § 11 ZuG 2007 kein Rechtsfolgenverweis, sondern als Rechtsgrundverweis
dahingehend zu verstehen, dass die Zuteilung vollumfänglich nach den
Zuteilungsvorschriften für Neuanlagen erfolgen solle und die Optionsanlagen
nicht mehr als Bestandsanlagen anzusehen seien. Dies ergebe sich u.a. aus der
Verwendung des Wortes „statt“ in § 7 Abs. 12 ZuG 2007. Im Übrigen habe sich der
Gesetzgeber dafür entschieden, nur auf nichtoptierende Bestandsanlagen den
ersten Erfüllungsfaktor des § 5 ZuG 2007 anzuwenden, die damit in besonderem
Maße zur Gesamtreduktionsverpflichtung beitragen sollten. Die von der Beklagten
vorgenommene Auslegung überschreite den vom Gesetzgeber bewusst gewählten
Wortlaut und sei deshalb unzulässig.
Auch die Systematik spreche gegen
eine Anwendung von § 4 Abs. 4 ZuG 2007 auf die Optionsanlagen: § 6 ZuG 2007,
welcher die Reserve für Neuanlagen regelt, betreffe explizit ausschließlich
echte Neuanlagen; wenn der Gesetzgeber diese Norm aus dem Rechtsfolgenkreis des
§ 11 ZuG 2007 eigens herausnehmen konnte, hätte er dies bei entsprechender
Intention auch bezüglich § 4 Abs. 4 ZuG 2007 regeln können. Dass dies
unterblieben sei, spreche vielmehr dafür, dass auf die Optierer vollumfänglich
die Rechtsfolgen des § 11 ZuG 2007 Anwendung finden sollten. Die von der
Beklagten insoweit vorgenommene Unterscheidung zwischen Anlagen und Zuteilungen
und die von ihr zitierte sog. Anlagenakzessorietät finde weder im Gesetz eine
Stütze, noch sei sie in sonstiger Weise nachzuvollziehen.
Die
Einbeziehung der Optionsanlagen in den Kreis der anteilig zu kürzenden
Zuteilungen verkenne ferner den engen Regelungszusammenhang zwischen dem
Emissionshandelsrecht und dem Immissionsschutzrecht. Die
emissionshandelsrechtliche Abgabepflicht modifiziere und konkretisiere wegen § 5
Abs. 1 Satz 2 BImSchG für genehmigungspflichtige Anlagen die ohnehin bestehende
Vorsorgepflicht gemäß § 5
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG. Die Zulässigkeit von
Anforderungen an Anlagen sei generell durch den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit begrenzt, wobei die Verhältnismäßigkeitsgrenze im
Immissionsschutzrecht durch den Stand der Technik gezogen werde. Anforderungen
an Anlagen, die über den Stand der Technik hinausgingen, seien im
Immissionsschutzrecht wie im Emissionshandelsrecht unzulässig, weil der Maßstab
des Standes der Technik mit dem Maßstab der für die Benchmarks maßgeblichen
besten verfügbaren Techniken identisch sei. Da die Optionsanlagen wie Neuanlagen
jeweils nur eine Anzahl von Berechtigungen erhielten, die der
Produktionsprognose unter Zugrundelegung der besten verfügbaren Technik
entspreche, dürfe diese Zuteilung nicht weiter gemäß § 4 Abs. 4 ZuG 2007 gekürzt
werden, da dies ebenso unverhältnismäßig sei, als werde im Immissionsschutzrecht
ein strengeren Maßstab als der Stand der Technik angelegt.
Die Anwendung
der anteiligen Kürzung auf die Optionsanlagen sei auch nicht zur Einhaltung des
caps geboten, da sich durch die Nichtberücksichtigung der Optierer lediglich die
anteilige Kürzung für andere Anlagentypen erhöhe. Drohe etwa durch das
unerwartet häufige Gebrauchmachen von der Option eine Überschreitung der
Gesamtmenge, so stelle dies ein strukturelles Problem der Zuteilungsregeln dar
und dürfe nicht zu Lasten der Optionsanlagen gehen.
Schließlich sei die
Anwendung der anteiligen Kürzung auf die Optionsanlagen eine rein politische
Entscheidung der Exekutive entgegen dem Willen des Gesetzgebers. Vor Beginn des
Zuteilungsverfahrens sei ausdrücklich nicht beabsichtigt gewesen, die anteilige
Kürzung auf die Optionsanlagen zu erstrecken. Erst durch die für die Beklagte
offenbar überraschend häufige Nutzung der Optionsregelung habe sich die
Notwendigkeit einer zuvor nicht vorgesehenen Anwendung der Kürzung auf die
Optionsanlagen herausgestellt. Diese Entscheidung, welche dem Wortlaut der
Vorschrift entgegenstehe, müsse aber durch den Gesetzgeber getroffen
werden.
Weiterhin sei auch die konkrete Anwendung der in § 4 Abs. 4
ZuG 2007 vorgesehenen Kürzung durch die zuständige Behörde insgesamt
rechtswidrig. Zum einen seien die Tatbestandsvoraussetzungen der Norm nicht
gegeben, da überhaupt nicht gesichert sei, dass es tatsächlich zu einer
Überschreitung der Gesamtmenge gekommen sei bzw. kommen werde. Dies ergebe sich
in keiner Weise aus den Bescheiden oder aus sonstigen, der Öffentlichkeit
zugänglichen Dokumenten. Es sei davon auszugehen, dass etliche
Zuteilungsentscheidungen rechtswidrig gewesen seien, weshalb es im großen Stil
zu Fehlallokationen an andere Anlagenbetreiber gekommen sei. Erst durch diese
rechtswidrigen Überallokationen sei es zur Notwendigkeit der anteiligen Kürzung
gekommen. Bei der Berechnung der Kürzung handele es sich um eine rein
administrative Entscheidung, die das Gericht in vollem Umfang im Einzelnen
rechnerisch nachzuprüfen habe.
Weiterhin sei der von der Beklagten für
die Kürzung gewählte Zeitpunkt nicht in verfassungskonformer Weise gewählt. Da
erst am Ende der Zuteilungsperiode die endgültige Zahl der zuzuteilenden
Berechtigungen feststehe, dürfe die anteilige Kürzung auch erst zu diesem
Zeitpunkt bzw. erst nach Bestandskraft aller Zuteilungsbescheide erfolgen. Die
Beklagte sei jedoch zumindest verpflichtet gewesen, eine Hochrechnung über die
voraussichtlich zurückfließenden Berechtigungen anzustellen und diese in die
Berechnung des Kürzungsfaktors einzustellen.
Die Klägerinnen gehen weiter
davon aus, dass der Kürzungsfaktor auch deshalb falsch berechnet sei, weil es
während des Verlaufs der Zuteilungsperiode immer wieder zu deutlichen
Rückflüssen von Berechtigungen komme. Einer der Klägerinnen sei bereits jetzt
mindestens ein Fall eines nachträglichen Widerrufs von mehr als 1 Mio.
Berechtigungen bekannt. Unklar sei, wie mit solchen Rückflüssen verfahren werde,
da diese im Gegensatz zu Rückflüssen aus Widerrufen bei Optionsanlagen (§ 11
Abs. 5 i.V.m. § 8 Abs. 3, 4) zumindest nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht der
Reserve für Neuanlagen zuflössen. Für die Verwendung solcher zurückgeflossenen
Berechtigungen fehle eine hinreichende Rechtsgrundlage. Da sie jedoch in jedem
Fall am Ende der Zuteilungsperiode erlöschten, würden widerrufene Berechtigungen
in jedem Fall in rechtswidriger Weise nicht nur den von der anteiligen Kürzung
betroffenen Anlagen, sondern dem Markt insgesamt entzogen. Das Risiko für
behördliche Fehlentscheidungen dürfe nicht als Sonderopfer auf die Betreiber
abgewälzt werden. Da es im Rahmen von Verpflichtungsklagen bezüglich der
maßgeblichen Sach- und Rechtslage auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen
Verhandlung ankomme, seien zwischenzeitlich zurückgeflossene Berechtigungen
nunmehr an die von der Kürzung betroffenen Betreiber auszukehren.
Die
Klägerin im vorliegenden Verfahren beantragt,
die Beklagte unter Abänderung
des Bescheides des Umweltbundesamtes, Deutsche Emissionshandelsstelle, vom 16.
Dezember 2004 und des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 5. Oktober
2005 zu verpflichten, ihr für die Zuteilungsperiode 2005 bis 2007
Emissionsberechtigungen für den Betrieb der Anlage des Heizwerkes W_____ in
einer Höhe zuzuteilen, wie sie sich ohne Anwendung der anteiligen Kürzung gemäß
§ 4 Abs. 4 ZuG 2007 ergibt, nämlich 1.073 Emissionsberechtigungen mehr, also
insgesamt 23.228 Emissionsberechtigungen,
hilfsweise,
die Klägerin
für die Anwendung der anteiligen Kürzung nach § 4 Abs. 4 ZuG 2007 über den
Rückfluss von Emissionsberechtigungen aufgrund der im Zuteilungsgesetz 2007
vorgesehenen Ex-Post-Anpassungen zu kompensieren.
Die Beklagte
beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält sowohl die
anteilige Kürzung nach § 4 Abs. 4 ZuG 2007 insgesamt, als auch deren konkrete
Anwendung und die Erstreckung auf Optionsanlegen für rechtmäßig.
Sie
verweist zunächst auf die Funktion der anteiligen Kürzung. Die mit dem
Emissionshandel angestrebten Ziele der Reduzierung von Treibhausgasemissionen
und die Schaffung von wirksamen Anreizen zur Vermeidung von Emissionen
erforderten es, dass die Zahl der verfügbaren Berechtigungen geringer sei als
der tatsächliche Bedarf der Anlagen. Zwar sei ursprünglich geplant gewesen,
diesen Verknappungseffekt in erster Linie durch den in § 5 ZuG 2007 festgelegten
ersten Erfüllungsfaktor zu erreichen; aufgrund der Modifizierung der
Zuteilungsregeln im Gesetzgebungsverfahren, insbesondere durch die Einführung
der Optionsmöglichkeit des § 7 Abs. 12 ZuG 2007, sei es jedoch erforderlich
geworden, § 4 Abs. 4 ZuG 2007 als weiteren Korrekturmechanismus zur Einhaltung
des cap vorzusehen.
Weder das Emissionshandelssystem insgesamt, noch § 4
Abs. 4 ZuG 2007 verstoße gegen Gemeinschaftsrecht. Dem Gemeinschaftsrecht sei
zunächst nicht zu entnehmen, dass als Zuteilungskriterium ausschließlich oder
vorrangig das jeweilige Emissionsminderungspotential der Anlage zu
berücksichtigen sei. Anhang III der Richtlinie beziehe sich vielmehr nur auf die
Gesamtmenge der zuzuteilenden Berechtigungen. Dieser Verpflichtung zur
Berücksichtigung der Emissionsminderungspotentiale sei der Gesetzgeber
beispielsweise durch die Einführung der Regeln für prozessbedingte Emissionen
nachgekommen.
Die Beklagte hält § 4 Abs. 4 ZuG 2007 darüber hinaus auch
für verfassungsgemäß.
Die Vorschrift sei zunächst bestimmt genug, da für
die Anlagenbetreiber vorhersehbar gewesen sei, dass es ggf. zu einer anteiligen
Kürzung kommen werde, so dass bereits die Antragstellung mit der Möglichkeit der
Kürzung belastet gewesen sei. Das Rechtsstaatsprinzip verlange nicht, dass
staatliches Handeln in jedem Detail für den Betroffenen vorhersehbar und
berechenbar sei.
Ein Verstoß gegen die Eigentumsgarantie sei nicht
gegeben. Dabei sei zu berücksichtigen, dass ein Eingriff in grundrechtlich
geschützte Positionen allenfalls in der sich aus § 6 Abs. 1 TEHG ergebenden
Abgabepflicht zu sehen sei. Die die Anlagenbetreiber begünstigende
Zuteilungsentscheidung hingegen stelle keinerlei Verkürzung von Rechten dar,
weshalb auch die anteilige Kürzung des § 4 Abs. 4 ZuG 2007 nicht isoliert
gesehen werden könne.
Im Lichte dessen sei die Regelung des § 4 Abs. 4
ZuG 2007 auch verhältnismäßig. Die Reduktion von Treibhausgasen im Sinne des
Staatsziels Umweltschutz sei ein verfassungsrechtlich legitimes Ziel, wobei dem
Gesetzgeber bezüglich der Maßnahmen zur Zielerreichung ein weiter
Entscheidungsspielraum zustehe. § 4 Abs. 4 ZuG 2007 sei insoweit sowohl
geeignet, als auch erforderlich. Insbesondere seien keine weniger belastenden
Mittel als Alternative denkbar. So sei eine andere Sektorenallokation kein
milderes Mittel, weil sie Fragen der Gleichbehandlung aufwerfe. Der Einsatz von
flexiblen Mechanismen bzw. der Ankauf von zusätzlichen Berechtigungen stellten
ebenfalls keine milderen Mittel dar, da sie das Ziel lediglich veränderten und
nicht zu dessen Einhaltung beitragen könnten.
Schließlich sei die
Kürzungsregel des § 4 Abs. 4 ZuG 2007 auch angemessen. Es sei dem Prinzip des
Emissionshandels immanent, dass eine gewisse Knappheit an Berechtigungen
herrschen müsse. Im Rahmen der praktischen Konkordanz und seines
Einschätzungsspielraumes habe sich der Gesetzgeber primär für die Zuteilung auf
der Basis historischer Emissionen entschieden, weshalb auch die Kürzung
erforderlich geworden sei. Insbesondere durch die Möglichkeit der Option habe
der Gesetzgeber jedoch den Bestandsanlagen die Möglichkeit gegeben, sich für
eine für sie günstige Variante der Zuteilung zu entscheiden.
Auch ein
Verstoß gegen Art. 12 GG sei nicht gegeben. Die in der Einführung des
Emissionshandels liegende Berufsausübungsregelung sei durch vernünftige Gründe
des Allgemeinwohls gerechtfertigt.
Weiterhin liege auch kein Verstoß
gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 GG vor. Im Rahmen der gebotenen
Typisierung sei zu berücksichtigen, dass es bei der Zuteilung von Berechtigungen
in erster Linie um eine Begünstigung gehe, weshalb der Gesetzgeber auch bei der
Bildung von Vergleichsgruppen, ebenso wie bezüglich der Frage, für welche Fälle
er welche Vergünstigungen vorsehe, über einen sehr weiten Gestaltungsspielraum
verfüge.
Darüber hinaus sei die Vorschrift des § 4 Abs. 4 ZuG 2007 von
der zuständigen Behörde auch richtig angewandt worden. Die zuzuteilende
Gesamtmenge habe das Ziel von 495 Mio. Tonnen im Zeitpunkt der Berechnung der
anteiligen Kürzung überschritten. Dabei seien in die zu berücksichtigende
Gesamtmenge auch die „Optierer“ einzustellen gewesen. Von der maßgeblichen
Gesamtmenge abzuziehen seien nach Wortlaut und Sinn und Zweck der Norm lediglich
die Zuteilungen für „echte“ Neuanlagen nach § 11 ZuG 2007 gewesen, was sich auch
aus der Zusammenschau mit dem nationalen Allokationsplan ergebe.
Die
Beklagte leitet aus Wortlaut, Systematik und Sinn und Zweck der anteiligen
Kürzung des § 4 Abs. 4 ZuG 2007 ab, dass diese auch für die Optionsanlagen
gelten müsse. Die Kürzung betreffe die Optionsanlagen in ihrer
Anlageneigenschaft als Bestandsanlagen, welche sie durch die Ausübung der Option
nicht verloren hätten. Insoweit „unterlägen“ sie im Sinne von § 4 Abs. 4 ZuG
2007 theoretisch weiterhin dem Erfüllungsfaktor des § 5 ZuG 2007; er finde
jedoch lediglich „keine Anwendung“ (sog. Anlagenakzessorietät der anteiligen
Kürzung). Bei § 7 Abs. 12 ZuG 2007 handele es sich um einen bloßen
Rechtsfolgenverweis. Dessen Stellung im Rahmen von § 7 ZuG 2007 belege die
grundsätzliche Zugehörigkeit der betroffenen Anlagen zu den
Bestandsanlagen.
Aus der Bedeutung des § 4 Abs. 4 ZuG 2007 als
„Stellschraube“ für die Einhaltung des Gesamtbudgets müsse folgen, dass die
anteilige Kürzung alle Bestandsanlagen zu erfassen habe. Dafür spreche
insbesondere auch die Tatsache, dass es, falls die anteilige Kürzung auf
Optierer nicht angewendet werden würde, zu einem Selbstverstärkungseffekt (sog.
„Run“) komme: die eher als Ausnahme gedachte Option würde für immer mehr Anlagen
attraktiv, so dass von der Regelzuteilung nach dem Grandfathering-Prinzip immer
weniger Gebrauch gemacht würde, was wiederum zu einer noch stärkeren Belastung
des Gesamtbudgets führe und eine weitere Kürzung erforderlich mache. Dass diese
nicht zu Lasten der nichtoptierenden Bestandsanlagen ausfallen könne, liege auf
der Hand. Im Übrigen bestünde dann für Optierer, die nahezu eine Vollausstattung
erreichen könnten, kein Anreiz mehr zur Vermeidung von Emissionen und zur
Inanspruchnahme anderer Sonderzuteilungsregeln wie z.B. den
Early-Action-Vorschriften.
Durch die Anwendung der anteiligen Kürzung auf
Optionsanlagen komme es auch nicht zu einer gleichheitswidrigen
Schlechterstellung gegenüber Neuanlagen. Zwar würden beide Gruppen ihre
Zuteilung nach § 11 ZuG 2007 beantragen. Sie seien jedoch insoweit nicht
vergleichbar, als es bei optierenden Bestandsanlagen keineswegs gesichert sei,
dass diese über die besten verfügbaren Techniken verfügten. Auch die
Besserstellung von Anlagen, welche von den Sonderzuteilungsregeln der §§ 12 und
13 ZuG 2007 Gebrauch gemacht hätten, sei aus der Systematik des Gesetzes heraus
gerechtfertigt. Diese Anlagen sollten möglichst eine bedarfsgerechte
Vollausstattung erhalten.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung
der anteiligen Kürzung sei schließlich einzig der Zeitpunkt unmittelbar vor
Erlass der behördlichen Zuteilungsentscheidungen, was sich wiederum ebenfalls
aus Wortlaut und Sinn und Zweck von § 4 Abs. 4 ZuG 2007 ergebe. Im Rahmen einer
internen Vorprüfung sei zunächst die jeweilige Zuteilungsmenge errechnet worden.
Die auf diese Weise festgestellte Menge sei nach Vorliegen der Gesamtmenge um
den sich ergebenden Kürzungsfaktor gekürzt worden. Nachträgliche Änderungen, wie
etwa Rückflüsse aus Widerrufsentscheidungen, hätten unberücksichtigt zu bleiben.
Eine wiederholte oder spätere Anwendung der anteiligen Kürzung sei nicht
vorgesehen und vom Gesetzeszweck auch nicht gedeckt. Nur eine einmalige
verbindliche Festlegung des Kürzungsfaktors könne die Einhaltung des caps
gewährleisten und unendliche Neuberechnungen verhindern. Diese
Auslegungsvariante von § 4 Abs. 4 ZuG 2007 sei darüber hinaus die einzig
praktikable Lösung, da nachträgliche Korrekturen nicht nur einen
unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand mit sich brächten, sondern zu einem
Zustand völliger Rechtsunsicherheit bei allen Anlagenbetreibern führten, die
andernfalls jederzeit auch mit einer Rückforderung rechnen müssten, da
keinesfalls klar sei, dass Korrekturen im Laufe der Zuteilungsperiode stets nur
zu einer Verringerung der Kürzung führen müssten. Gerade auch die neuere
Rechtsprechung des Europäischen Gerichts erster Instanz lasse darauf schließen,
dass Ex-Post-Anpassungen im Allgemeinen vermieden werden sollten.
Im
Übrigen könne die Höhe von Rückflüssen aus Ex-Post-Korrekturen ohnehin erst am
Ende der Zuteilungsperiode, nämlich am 31. Januar 2008 bestimmt werden könnten.
Eine Hochrechnung komme schon deshalb nicht in Betracht, weil die den
Zuteilungen nach § 11 ZuG 2007 zugrunde liegenden Prognosen so plausibel sein
müssten, dass nicht von vorneherein von deren Unrichtigkeit ausgegangen werden
könne. Die Überprüfung der Berechnung des Kürzungsfaktors im Einzelnen sei dem
Gericht schließlich entzogen, da der zuständigen Behörde insoweit ein
Verfahrensermessen bzw. ein nicht überprüfbarer Beurteilungsspielraum
zustehe.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und
Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte sowie der Verwaltungsvorgänge
der Beklagten, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung
gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die
zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die
begehrten zusätzlichen Emissionsberechtigungen. Die ursprüngliche
Zuteilungsentscheidung ist vielmehr rechtmäßig und verletzt sie daher nicht in
ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO.
I. Soweit einzelne
Klägerinnen in den geführten Musterverfahren die Vereinbarkeit des gesamten
Emissionshandelssystems mit höherrangigem Recht in Frage stellen (vgl. z.B. VG
10 A 462.05), könnte dies die beantragte Mehrzuteilung von
Emissionshandelsberechtigungen gemäß § 9 Abs. 1 TEHG nicht stützen. Bei der
Zuteilungsentscheidung handelt es sich um einen integralen Bestandteil des
Gesamtsystems (so auch BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2005, NVwZ 2005, 1178, 1181).
Sollte dieses sich als mit höherrangigem Recht unvereinbar erweisen, so könnte
nicht isoliert eine Mehrzuteilung erfolgen, die dem (dann gemeinschaftsrechts-
oder verfassungswidrigen) System inhärent und mit diesem untrennbar verbunden
wäre.
Darüber hinaus beruht die nationale Einführung des Emissionshandels
auf den europarechtlichen Vorgaben der Richtlinie 2003/87/EG, welche die
einzelnen Mitgliedsstaaten zwingend (vgl. Burgi, Die Rechtsstellung von
Unternehmen im Emissionshandel, 5. Kolloquium zu Bergbau und Umweltschutz in
Aachen, Heft 103 der Schriftenreihe der GDMB, S. 62) zur Umsetzung sekundären
Gemeinschaftsrechts verpflichtet (vgl. insbesondere Art. 4 und 9 ff. der
Richtlinie). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
scheidet deshalb eine Überprüfung des Emissionshandelssystems am Maßstab
nationalen Verfassungsrechts aus, solange die Europäischen Gemeinschaften,
insbesondere die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Gemeinschaften, wirksamen
Grundrechtsschutz gegenüber der Hoheitsgewalt der Gemeinschaften generell
gewährleisten, der dem grundgesetzlich gewährleisteten Rechtsschutz im
wesentlichen gleich steht (vgl. BVerfGE 73, 339, 378 ff.;89, 155, 174 f.;
BVerwG, NVwZ 2005, 1178, 1181.). Da weder substantiiert vorgetragen noch sonst
ersichtlich ist, dass der Grundrechtsschutz auf Gemeinschaftsebene nicht (mehr)
ausreichend sein sollte, ist das in TEHG und ZuG 2007 umgesetzte
Emissionshandelssystem (nur) am Maßstab europäischer Grundrechte zu prüfen. Die
Vereinbarkeit des Systems mit den Grundrechten, insbesondere der Eigentums- und
der Berufsfreiheit in ihrer jeweiligen europarechtlichen Ausprägung hat das
Bundesverwaltungsgericht schließlich in seinem Urteil vom 30. Juni 2005
ausdrücklich bejaht (BVerwG, NVwZ 2005, 1178 ff.).
II.
Rechtsgrundlage für die die Klägerin betreffende Zuteilungsentscheidung ist § 9
TEHG i.V.m. §§ 7 Abs. 12, 11, 4 Abs. 4 ZuG 2007, weil die Klägerin von der
Option des § 7 Abs. 12 ZuG 2007 Gebrauch gemacht und die Zuteilung nach den für
Neuanlagen geltenden Vorschriften beantragt hatte. Die der Klägerin auf ihren
Antrag vom 19. September 2004 hin gemäß § 9 Abs. 1 TEHG i.V.m. §§ 7 Abs. 12, 11
ZuG 2007 zuzuteilende Menge an Emissionsberechtigungen hat die Beklagte in nicht
beanstandenswerter Weise gemäß § 4 Abs. 4 ZuG 2007 um den Faktor 0,9538
(gerundet) gekürzt.
III. Gegen die Vereinbarkeit der Vorschrift des § 4
Abs. 4 ZuG 2007 mit höherrangigem Recht bestehen keine Bedenken.
1.
Zunächst steht § 4 Abs. 4 ZuG 2007 nicht im Widerspruch zu Vorschriften des
Gemeinschaftsrechts, weshalb der Europäische Gerichtshof nicht im Wege einer
Vorlage gemäß Art. 234 EG angerufen werden musste. Die anteilige Kürzung
verstößt nicht gegen die Vorgaben der Richtlinie 2003/87/EG, insbesondere nicht
gegen Anhang III, der die Kriterien für die nationalen Zuteilungspläne
festlegt.
1.1 Soweit die Klägerinnen meinen, die anteilige Kürzung
verstoße gegen die Richtlinie 2003/87/EG, weil sie differenzierungslos auf
nahezu alle Anlagen angewandt würde, ohne deren jeweiliges
Emissionsminderungsvermögen in Betracht zu ziehen, stellt dies keinen Verstoß
gegen Gemeinschaftsrecht dar. Gemäß Kriterium Nr. 3 des Anhangs III der
Richtlinie müssen die Mengen der Zertifikate, die zugeteilt werden sollen, mit
dem Potential (auch dem technischen) der unter dieses System fallenden
Tätigkeiten zur Emissionsverringerung in Einklang stehen. Diese Vorgabe verlangt
jedoch nicht, dass bei jeder einzelnen Zuteilung das individuelle
Emissionsminderungspotential der jeweiligen Anlage berücksichtigt werden muss.
Dies ergibt sich schon daraus, dass der Anhang III bereits nach seiner
Überschrift sowie nach seiner systematischen Stellung nur Programmsätze für die
nationalen Zuteilungspläne insgesamt, nicht jedoch Vorgaben für einzelne
Zuteilungsentscheidungen bezweckt (vgl. dazu auch Hinweise der Kommission zur
Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Anwendung von Anhang III RL
2003/87/EG, KOM(2003), 830 endg. vom 7. Januar 2004). Dies wird dadurch
bestätigt, dass Nr. 8 der Präambel der Richtlinie vorsieht, dass die
Mitgliedsstaaten bei der (allgemeinen) Zuteilung von Zertifikaten das Potential
bei Tätigkeiten industrieller Verfahren, Emissionen zu verringern,
berücksichtigen sollten. Darüber hinaus betrifft die von den Klägerinnen geltend
gemachte Kritik nicht lediglich die anteilige Kürzung gemäß § 4 Abs. 4 ZuG 2007,
sondern letztlich das gesamte auf dem nationalen Zuteilungsplan basierende
Verteilungssystem des ZuG 2007, da dieses nicht vorsieht, dass bei jeder
Zuteilungsentscheidung das individuelle Emissionsminderungspotential zu
berücksichtigen sei. Vielmehr hat der nationale Gesetzgeber innerhalb der ihm
zustehenden Einschätzungsprärogative (vgl. Mager, DÖV 2004, 561, 564) und unter
Berücksichtigung der verschiedenen in der Richtlinie aufgeführten Kriterien
einen nationalen Zuteilungsplan aufgestellt und in diesem Zusammenhang gewisse
Typisierungen vorgenommen (vgl. auch Frenz, Emissionshandelsrecht, § 9 TEHG,
Rdnr. 131, Heidelberg, 2005). Inwieweit einzelne Anlagen aufgrund der jeweiligen
wirtschaftlichen oder branchentypischen Verhältnisse ihre CO2-Emissionen
tatsächlich mehr oder weniger reduzieren können, musste der Gesetzgeber –auch
unter Beachtung des Verbots der Bevorzugung bestimmter Unternehmen oder Branchen
(vgl. Kriterium Nr. 5 des Anhangs III)- darüber hinaus nicht berücksichtigen.
Dies gilt umso mehr, als das Ziel eines liquiden und effizienten Marktes gerade
dadurch erreicht wird, dass Angebot und Nachfrage an CO2-Berechtigungen in einem
angemessenen Verhältnis stehen. Die Berücksichtigung individueller
Emissionsminderungsmöglichkeiten zur Erfüllung des Kriteriums Nr. 3 des Anhangs
III der Richtlinie 2003/87/EG hat im Übrigen innerhalb des nationalen
Zuteilungssystems unter anderem in § 13 ZuG 2007 bezüglich sog. prozessbedingter
Emissionen (vgl. Körner/ Vierhaus, TEHG, § 13 ZuG, Rdnr. 2, München, 2005;
BT-Drs. 15/2966, S. 24) und im Zusammenhang mit den ausdifferenzierten
Emissionswerten für unterschiedliche Energieträger (sog. benchmarks) ihren
Niederschlag gefunden.
Dass der deutsche Zuteilungsplan einen Verstoß
gegen Kriterium Nr. 3 beinhalten sollte, hat die Kommission der Europäischen
Gemeinschaften schließlich in ihrer Stellungnahme zum nationalen Zuteilungsplan
der Bundesrepublik Deutschland vom 7. Juli 2004 nicht gerügt.
1.2
Weiterhin verstößt die anteilige Kürzungsregel des § 4 Abs. 4 ZuG 2007 auch
nicht gegen das in der Richtlinie 2003/87/EG enthaltene „Transparenzgebot“. Die
Präambel der Richtlinie sieht in Nr. 13 u.a. vor, dass zur Gewährleistung von
Transparenz die Öffentlichkeit Zugang zu Informationen über die Zuteilung von
Zertifikaten erhalten sollte. Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie bestimmt, dass die
Mitgliedsstaaten für jeden Zuteilungszeitraum einen nationalen Plan aufstellen,
aus dem hervorgeht, wie viele Zertifikate sie insgesamt für diesen Zeitraum
zuzuteilen beabsichtigen und wie sie die Zertifikate zuzuteilen gedenken. Dieser
Plan ist auf objektive und transparente Kriterien zu stützen. Gemäß Kriterium
Nr. 10 des Anhangs III der Richtlinie muss der Plan eine Liste der unter die
Richtlinie fallenden Anlagen unter Angabe der Anzahl der Zertifikate enthalten,
die den einzelnen Anlagen zugeteilt werden sollen.
§ 4 Abs. 4 ZuG 2007
beinhaltet insoweit keinen Verstoß gegen die Richtlinie: aus der dem nationalen
Zuteilungsplan anliegenden und der EU-Kommission übermittelten „Liste der am
Emissionshandel teilnehmenden Anlagen in Deutschland“ ( -> downloads) lässt
sich detailliert entnehmen, welches Unternehmen für welche Anlage welcher
Betriebsart für die erste Zuteilungsperiode wie viele Emissionsberechtigungen
erhalten hat. Darüber hinaus ist der nationale Zuteilungsplan auch im Sinne von
Art. 9 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2003/87/EG auf objektive und transparente
Kriterien gestützt. Die verschiedenen Zuteilungsregeln werden dort (vgl. S. 32
ff des Nationalen Allokationsplanes, NAP) im Einzelnen erläutert. Sie lassen
sich im Übrigen (einschließlich der anteiligen Kürzung, vgl. S. 7) dem bereits
im Herbst 2004 von der zuständigen Behörde veröffentlichten „Leitfaden
Zuteilungsregeln 2005-2007“ (vgl. -> downloads) entnehmen. Soweit die
Klägerinnen rügen, dass für den einzelnen Anlagenbetreiber im Zeitpunkt des
Erlasses des nationalen Zuteilungsplanes nicht erkennbar gewesen sei, dass es
über den Erfüllungsfaktor des § 5 ZuG 2007 hinaus zu der in § 4 Abs. 4 ZuG 2007
vorgesehenen anteiligen Kürzung kommen werde, verkennen sie, dass die Festlegung
einzelner Zuteilungsregeln nicht Regelungsinhalt der Richtlinie ist und es nicht
schon deshalb an Transparenz im Sinne der Richtlinie mangelt, weil weder die
Richtlinie, noch der nationale Zuteilungsplan das Konzept einer anteiligen
Kürzung enthalten. Transparenz bedeutet entgegen der Ansicht mancher Klägerinnen
nicht, dass der einzelne Anlagenbetreiber anhand des Zuteilungsplanes die ihm
exakt zuzuteilende Menge an Emissionsberechtigungen bestimmen können muss. Die
Auslegung des (im Übrigen in nahezu allen Übersetzungen der Sprachen der
Mitgliedsstaaten enthaltenen) Begriffes „transparent“ ergibt –gerade auch im
Zusammenspiel mit der Anforderung „objektiver“ Zuteilungskriterien-, dass die
Zuteilungsregeln eine gerechte, nicht willkürliche und „durchschaubare“
Verteilung ermöglichen sollen. Dies wird durch die Mitteilung der Kommission zu
den künftig zu erstellenden Zuteilungsplänen (KOM (2005) 703, endg. vom 22.
Dezember 2005) verdeutlicht: dort fordert die Kommission die Mitgliedsstaaten
auf, in Zukunft einfachere („transparentere“) Pläne mit weniger Sonderregelungen
zu erlassen.
Diese gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen werden durch §
4 Abs. 4 ZuG 2007 nicht in Frage gestellt. Die Gefahr einer anteiligen Kürzung,
welche im Übrigen lediglich eine vergleichsweise simple Berechnung erfordert,
war bereits vor Beginn des Zuteilungsverfahrens im Gesetz angelegt. Der einzelne
Anlagenbetreiber konnte zwar nicht die ihm genau zuzuteilende Menge an
Berechtigungen absehen; ihm war jedoch bekannt, nach welchen Regeln die
Zuteilung ablaufen würde und dass es bei Überschreiten der insgesamt
zuzuteilenden Menge von 495 Mio. Tonnen CO2 zu einer anteiligen Kürzung kommen
würde. Eine darüber hinausgehende Forderung nach Transparenz würde die
gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben überspannen.
Die anteilige Kürzung des
§ 4 Abs. 4 ZuG 2007 stellt letztlich die „Stellschraube“ zwischen Makro- und
Mikroplan dar und gewährleistet, dass die im Kyoto-Protokoll sowie im
europäischen Burden-sharing-agreement eingegangenen nationalen und
gemeinschaftlichen Verpflichtungen zur Reduktion von Treibhausgasen im Rahmen
des Emissionsziels eingehalten werden. Die Erfüllung der Reduktionspflichten
stellt sowohl die Grundlage, als auch das eigentliche Ziel der Richtlinie
2003/87/EG dar, wie unter anderem aus den Nummern 1-5 der Präambel deutlich
wird. Wie der nationale Gesetzgeber seinen Reduktionspflichten im Einzelnen
nachkommt und welche Zuteilungsregeln er aufstellt, bleibt seinem
Einschätzungsspielraum überlassen, wie die beachtlichen Unterschiede zwischen
den europäischen Zuteilungsplänen eindrucksvoll belegen (vgl. ->
downloads)
1.3 Schließlich verstößt § 4 Abs. 4 ZuG 2007 auch nicht gegen
das von den Klägerinnen geltend gemachte gemeinschaftsrechtliche Verbot von
Ex-Post-Korrekturen.
Zunächst enthält die Richtlinie selbst direkt keinen
„Ex-Ante-Grundsatz“. Soweit sich die Klägerinnen auf einen ungeschriebenen, sich
aus Kriterium Nr. 10 des Anhangs III der Richtlinie ableitenden solchen
Grundsatz berufen, ergibt sich daraus lediglich, dass die nationalen
Zuteilungspläne Listen der unter die Richtlinie fallenden Anlagen einschließlich
der diesen Anlagen zuzuteilenden Zertifikate enthalten müssen. Eine solche
–öffentlich zugängliche- Liste wurde der Kommission von der Beklagten
übermittelt, so dass insoweit kein Verstoß gegen die Richtlinie erkennbar ist.
Darüber hinaus wäre bereits fraglich, ob die das Verhältnis zwischen Kommission
und Nationalstaaten betreffenden Vorschriften überhaupt zugunsten der
Klägerinnen drittschützende Wirkung entfalten könnten.
Soweit sich die
Klägerinnen darauf berufen, dass die Kommission verschiedene nationale
Zuteilungspläne, u.a. auch den deutschen Allokationsplan, im Hinblick auf
diejenigen Vorschriften, welche eine Ex-Post-Korrektur vorsehen (§§ 8 Abs. 3, 11
ZuG), abgelehnt hat, hat dies für die Beurteilung der Richtlinienkonformität von
§ 4 Abs. 4 ZuG 2007 aus verschiedenen Gründen keine Bedeutung. Zum einen schwebt
bezüglich der Zulässigkeit der im deutschen Zuteilungsplan vorgesehenen
Ex-Post-Korrekturen noch ein Verfahren vor dem Europäischen Gericht erster
Instanz, dessen Ausgang nicht abzusehen ist, so dass derzeit in keiner Weise
klar ist, ob die Richtlinie überhaupt ein Verbot von Ex-Post-Korrekturen enthält
und wie weit dieses zu fassen wäre. Zum anderen hat das Gericht in seinem Urteil
vom 23. November 2005 bezüglich des nationalen Zuteilungsplans von
Großbritannien entschieden, dass sogar die im Zuteilungsplan vorgesehene
Gesamtmenge der zuzuteilenden Berechtigungen ggf. nachträglich korrigiert werden
dürfe (vgl. EuZW 2006, 54 ff.). Daraus ergibt sich, dass nachträgliche
Korrekturen, die das Gesamtbudget unverändert lassen und lediglich die
Verteilung im einzelnen –nach zuvor bekannt gegebenen abstrakten Kriterien-
betreffen, erst recht keinen Verstoß gegen die Richtlinie 2003/87/EG darstellen,
da das von der Kommission zitierte Kriterium Nr. 10 des Anhangs III der
Richtlinie ohnehin nur die Zuteilungspläne insgesamt
betrifft.
Schließlich besteht bei der anteiligen Kürzung, wie sie von der
Beklagten angewandt wurde, keine Gefahr einer Ex-Post-Korrektur, da die durch
die Anwendung von § 4 Abs. 4 ZuG 2007 erfolgte „Korrektur“ der
Zuteilungsentscheidungen nicht während der laufenden Zuteilungsperiode, sondern
bereits zu deren Beginn im Rahmen der ursprünglichen Zuteilungsentscheidung
stattfand. In diesem Fall ist die von einem etwaigen Ex-Ante-Grundsatz verfolgte
Zielsetzung, nämlich eine Festlegung der Zuteilung vor Beginn des Handels zur
Ermöglichung eines liquiden und funktionierenden Marktes ohne weiteres gewahrt.
Die Kommission hatte deshalb bezüglich der Regelung des § 4 Abs. 4 ZuG 2007
keine Beanstandungen (vgl. vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Große
Anfrage der CDU/CSU-Fraktion, BT-Drs. 15/5911, S. 13).
2. Darüber
hinaus steht die in § 4 Abs. 4 ZuG 2007 enthaltene anteilige Kürzung in Einklang
mit den Bestimmungen des Grundgesetzes.
2.1 Im Gegensatz zu der
Grundentscheidung des Gesetzgebers für das Emissionshandelssystem insgesamt,
wodurch zwingende gemeinschaftsrechtliche Vorgaben umgesetzt werden, unterliegt
die Regelung des § 4 Abs. 4 ZuG 2007 als einzelne materielle Zuteilungsregel
zwar grundsätzlich der gerichtlichen Überprüfung am Maßstab nationalen
Verfassungsrechts. Soweit die Klägerinnen allerdings unter Berufung auf die
vermeintliche Verfassungswidrigkeit der Vorschrift des § 4 Abs. 4 ZuG 2007
Mehrzuteilungen unter schlichter Nichtanwendung des Kürzungsfaktors
beanspruchen, könnten sie damit –selbst bei unterstellter Verfassungswidrigkeit
von § 4 Abs. 4 ZuG 2007 nicht durchdringen: die Kürzungsregel des § 4 Abs. 4 ZuG
2007 ist Teil eines ausdifferenzierten im ZuG 2007 enthaltenen Gefüges von
Zuteilungsregeln, welches primär der Einhaltung des nationalen Emissionszieles
unter sachgerechter Verteilung der Berechtigungen und der Schaffung eines
effizienten Marktes dient. Die Zuteilung von Berechtigungen erfolgt jeweils
unter Zugrundelegung einer Mehrzahl von Zuteilungsregeln, so dass die Anwendung
der anteiligen Kürzung gemäß § 4 Abs. 4 ZuG 2007 letztlich nur einen einzelnen
Rechenschritt im Rahmen einer mehrstufigen Formel darstellt. Der von den
Klägerinnen geltend gemachte Anspruch auf Zuteilung von Berechtigungen gemäß § 9
Abs. 1 TEHG besteht nicht abstrakt, sondern gerade „nach Maßgabe des Gesetzes
über den nationalen Zuteilungsplan“. Die etwaige Verfassungswidrigkeit von § 4
Abs. 4 ZuG 21007 als einzelne Zuteilungsvorschrift hätte demnach nicht zur
Folge, dass diese schlicht außer Acht gelassen werden könnte und eine isolierte
Zuteilung unter Zugrundelegung der übrigen Zuteilungsregeln erfolgen müsste.
Vielmehr müsste im Fall der Verfassungswidrigkeit einer einzelnen materiellen
Zuteilungsvorschrift das gesamte Gefüge neu geordnet und in diesem Zusammenhang
müssten durch den Gesetzgeber neue Zuteilungsregeln geschaffen werden (vgl.
BVerwG, NVwZ 2005, 1178, 1183).
Im Übrigen bestehen gegen die
Verfassungsgemäßheit der Vorschrift auch keine Bedenken, so dass eine Vorlage an
das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 GG nicht angezeigt
war.
2.2 Zunächst begegnet die anteilige Kürzung gemäß § 4 Abs. 4 ZuG
2007 im Hinblick auf das aus dem Rechtsstaatsgebot des Art. 20 GG abgeleitete
Bestimmtheitsgebot und den Wesentlichkeitsgrundsatz keinen
verfassungsrechtlichen Bedenken.
Das Gebot der Normenbestimmtheit soll
den Betroffenen befähigen, die Rechtslage anhand der gesetzlichen Regelungen zu
erkennen, damit er sein Verhalten danach ausrichten kann (vgl. BVerfGE 83, 130,
145; 86, 288, 311; 108, 52, 75; 110, 33, 57). Zwar konnte der einzelne
Anlagenbetreiber im Zeitpunkt der Stellung seines Zuteilungsantrages nicht
absehen, ob es überhaupt zu einer anteiligen Kürzung kommen und wie hoch diese
gegebenenfalls ausfallen werde. Die Tatsache, dass eine Verknappung der
Berechtigungen eintreten würde und auch die Möglichkeit einer anteiligen Kürzung
bestand, war jedoch bereits im Zeitpunkt der Antragstellung allgemein bekannt.
Darüber hinaus stellte sich insoweit den betroffenen Anlagenbetreibern keine
Alternative, als diese faktisch durch § 10 Abs. 1 TEHG gezwungen waren, einen
Zuteilungsantrag zu stellen, wenn sie an der Verteilung der Berechtigungen
partizipieren wollten. Inwieweit die Klägerinnen darüber hinaus ihr Verhalten
von einer anteiligen Kürzung oder deren Höhe abhängig gemacht haben sollten,
erschließt sich nicht.
Soweit die Klägerinnen im hiesigen Verfahren
darüber hinaus rügen, dass für die betroffenen Anlagenbetreiber in keiner Weise
nachvollziehbar sei, warum die Gesamtmenge an zuzuteilenden Berechtigungen, ab
deren Überschreitung es zu einer anteiligen Kürzung nach § 4 Abs. 4 ZuG 2007
kommt, auf 495 Mio. Tonnen Kohlendioxid festgelegt worden sei, so ist dem
zunächst entgegenzuhalten, dass dies schon deshalb keinen Verstoß gegen das
Gebot der Normenklarheit darstellt, weil dem Betroffenen in diesem Fall nicht
die Norm und deren Anwendung als solche, sondern allenfalls die dem Wortlaut des
Gesetzes zugrunde liegenden Motive unklar sind. Darüber hinaus ergibt sich die
Zahl von 495 Mio. Tonnen Kohlendioxid ohne weiteres aus dem nationalen
Allokationsplan (vgl. dort v.a. S. 17-22.), auf dem das Zuteilungsgesetz 2007
basiert.
Auch im Hinblick auf Aspekte des Vertrauensschutzes bestehen
keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 4 Abs. 4 ZuG 2007. Soweit die
Klägerinnen sich in diesem Zusammenhang darauf berufen, dass der dem
Zuteilungsgesetz zugrunde liegende nationale Allokationsplan noch keine
anteilige Kürzung vorgesehen hatte, ist dem entgegenzuhalten, dass der zweite
Erfüllungsfaktor gerade der Einhaltung des nationalen Allokationsplanes dienen
soll. Weiterhin stellt der Allokationsplan eine nicht justiziable planerische
Entscheidung der Bundesregierung dar (vgl. Körner/ Vierhaus, § 7 TEHG, Rdnr. 8).
Die außenwirksame Zuteilungsentscheidung erfolgt erst auf der Grundlage des
Zuteilungsgesetzes, so dass die Klägerinnen in die Bestimmungen des nationalen
Allokationsplanes kein schutzwürdiges Vertrauen entwickeln konnten.
Da
der Gesetzgeber klar geregelt hat, unter welchen Voraussetzungen es zu einer
anteiligen Kürzung gemäß § 4 Abs. 4 ZuG 2007 kommen werde, liegt schließlich
kein Verstoß gegen das Wesentlichkeitsgebot vor. Dass im Einzelfall die Behörden
das Vorliegen der Voraussetzungen prüfen und die anteilige Kürzung zur Anwendung
bringen, ist allein dem Umstand der Gewaltenteilung und der Vollziehung der
Gesetze durch die Exekutive geschuldet. Eine eigene, normunabhängige
Entscheidung über einen Grundrechtseingriff oder dessen Ausmaß steht der
zuständigen Behörde hingegen nicht zu.
2.3 Die anteilige Kürzung ist
ferner mit Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar. Soweit die Klägerinnen in der Regelung
des § 4 Abs. 4 ZuG 2007 einen verfassungswidrigen Eingriff in ihre
Eigentumsfreiheit sehen, gilt es zunächst zu berücksichtigen, dass die
Kürzungsvorschrift des § 4 Abs. 4 ZuG 2007 auch hier nicht isoliert, sondern nur
im Zusammenhang mit dem gesamten Zuteilungssystem betrachtet werden kann: die
anteilige Kürzung allein stellt schon deshalb keinen Grundrechtseingriff dar,
weil sie lediglich die gewährende, kostenlos erfolgende Zuteilung von
Berechtigungen beschränkt. Der von den Klägerinnen geltend gemachte Anspruch auf
Zuteilung gemäß § 9 Abs. 1 TEHG stellt für sich betrachtet keine im Sinne von
Art. 14 Abs. 1 GG schutzwürdige Eigentumsposition dar, da er zum einen schon dem
Wortlaut nach stets nur nach Maßgabe des Zuteilungsgesetzes, mithin durch die
Möglichkeit der anteiligen Kürzung gemäß § 4 Abs. 4 ZuG 2007 „vorbelastet“,
besteht. Zum anderen ist den Klägerinnen jedenfalls keine schutzwürdige
Eigentumsposition an den zuzuteilenden Berechtigungen als solchen entstanden, da
zu keinem Zeitpunkt eine ungekürzte Zuteilungsentscheidung ergangen ist, sondern
die intern vorab ungekürzt berechnete Zuteilungsmenge von der Beklagten uno actu
mit der Zuteilungsentscheidung gemäß § 4 Abs. 4 ZuG 2007 gekürzt wurde. Die
Erwartung einer höheren Zuteilung stellt darüber hinaus als bloße
Zukunftshoffnung keine schutzwürdige Eigentumsposition dar (vgl. BVerfGE 28,119
ff.; 193, 222 ff.). Im Übrigen handelt es sich bei isolierter Betrachtung bei
der Zuteilung um eine staatlich gewährte Leistung, die schon deshalb keine
schutzwürdige Eigentumsposition begründet, weil sie nicht auf Eigenleistungen
der Anlagenbetreiber beruht und deshalb nicht „erdient“ im Sinne der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist (st. Rspr., vgl. BVerfGE 69, 9
ff., 92, 365 ff.; 97, 271 ff.; dazu auch Burgi, a.a.O).
Ein Eingriff in
eigentumsrechtlich relevante Positionen der Klägerinnen liegt allenfalls im
Zusammenspiel der Zuteilungsentscheidung mit der in § 6 TEHG geregelten
Abgabepflicht der Anlagenbetreiber. Mit der Einführung des
Emissionshandelssystems hat der Gesetzgeber durch neue Inhalts- und
Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 Abs. 1 GG die bislang dem Schutz des
Anlageneigentums unterfallende Befugnis zur Nutzung des Umweltmediums Luft aus
diesem Schutz herausgelöst und einem neuen marktwirtschaftlich orientierten
System unterstellt. Dabei ist die Emissionsbefugnis nicht um ihrer selbst willen
eigentumsrechtlich geschützt; sie sichert vielmehr die Benutzbarkeit der dem
Anlagenbetreiber zugeordneten eigentumsrechtlich geschützten Gegenstände seiner
Anlage oder den Fortbestand des von ihm eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetriebs (vgl. BVerwG, NVwZ 2005, 1178, 1181 f.).
Entscheidend für
die Frage der Vereinbarkeit von § 4 Abs. 4 ZuG 2007 mit Art. 14 Abs. 1 GG ist
demnach, ob das Anlageneigentum des einzelnen Anlagenbetreibers durch die
Abgabepflicht unter Berücksichtigung der ihm als Kompensation zugeteilten, nach
§ 4 Abs. 4 ZuG 2007 anteilig gekürzten Menge an Berechtigungen unzumutbar
beeinträchtigt wird (vgl. auch BVerwG, NVwZ 2005, 1178, 1182; Körner/Vierhaus, §
6 TEHG, Rdnr. 33).
An diesen Maßstäben gemessen stellt § 4 Abs. 4 ZuG
2007 eine verhältnismäßige und damit verfassungsgemäße Inhalts- und
Schrankenbestimmung dar. Zweck der Zuteilungsregeln insgesamt ist es, eine
Verteilung der Berechtigungen unter Einhaltung des in Übereinstimmung mit den
von der Bundesrepublik eingegangenen internationalen Verpflichtungen
festgelegten Emissionsziels zu ermöglichen und damit zum globalen Klimaschutz
beizutragen. Normzweck der Regelung des § 4 Abs. 4 ZuG 2007 ist es wiederum, das
(in § 4 Abs. 1 Satz 2 ZuG 2007 festgelegte) nationale Emissionsziel tatsächlich
einzuhalten (vgl. Körner/ Vierhaus, § 4 ZuG 2007, Rdnr. 10). Dabei ist die
Festlegung eines nationalen Emissionsziels eine der wesentlichen Grundlagen für
die Schaffung eines funktionierenden Emissionshandelssystems: der Idee des
Emissionshandels liegt insgesamt das Prinzip des sog. cap and trade zugrunde,
mithin die Vorstellung, dass ein liquider und effizienter Markt nur entstehen
kann, wenn eben gerade keine bedarfsgerechte Ausstattung jedes Anlagenbetreibers
erfolgt, sondern eine Verknappung stattfindet, die für die Betreiber Anreize zur
Emissionsreduktion bietet (vgl. Mager, DÖV 2004, 561, 562 f.).
Zur
Erreichung dieser angestrebten Verknappung sind sowohl eine starre Obergrenze,
als auch die entsprechende anteilige Kürzung, welche als „Stellschraube“ die
Korrespondenz von nationalem Zuteilungsplan und der Zuteilung auf der Grundlage
des ZuG 2007 sicherstellt, geeignete Mittel. Als geeignet ist ein Mittel stets
dann zu bezeichnen, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden
kann (BVerfGE 103, 293, 307; 96, 10, 23). In diesem Zusammenhang ist es
unbeachtlich, ob andere Mittel zur Zielerreichung, nämlich zur Einhaltung der
nationalen Verpflichtungen, ebenfalls geeignet wären (vgl. Jarass/Pieroth,
Grundgesetz, Art. 20, Rdnr. 84, 8. Auflage, München, 2006).
Darüber
hinaus ist die anteilige Kürzung gemäß § 4 Abs. 4 ZuG 2007 auch erforderlich.
Ein milderes, gleich geeignetes Mittel zur Einhaltung des nationalen
Emissionsziels ist nicht vorhanden. So stellt insbesondere der Zukauf von
Berechtigungen durch die Beklagte kein solches Mittel dar: das alternative
Mittel darf nicht zu einer stärkeren Belastung von Dritten oder der
Allgemeinheit, insbesondere auch nicht zu einer höheren finanziellen Belastung
des Staates führen (BVerfGE 109, 64, 86; 77, 84, 110 f.; 70, 91 f.). Gleiches
gilt für den von einigen Klägerinnen (VG 10 A 344.05) vorgeschlagenen Weg einer
stärkeren Nutzung von sog. flexiblen Mechanismen. Zum einen sind diese für die
Beklagte mit Investitionen verbunden und belasten deshalb die Allgemeinheit in
stärkerem Maße als die anteilige Kürzung. Zum anderen stehen diese als
marktwirtschaftliche Instrumente eigenständig neben dem Emissionshandel (vgl.
Schweer/ von Hammerstein, Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz, Einl., Rdnr. 10,
16 ff., Köln Berlin München 2004). Sie könnten zwar der Herabsetzung der
Reduktionsverpflichtung der Beklagten, nicht aber der Einhaltung des nationalen
Emissionsziels dienen. Auch eine stärker sektorenspezifische Allokation stellt
kein gleich geeignetes, weniger einschneidendes Mittel dar. Zum einen erfasst
die Richtlinie 2003/87/EG nur die Sektoren Energie und Industrie, so dass der
Gesetzgeber keine Veranlassung hatte, andere Sektoren (wie etwa Haushalte und
Verkehr) zum jetzigen Zeitpunkt in den Emissionshandel einzubeziehen. Zum
anderen hätte die Einbeziehung eine stärkere Belastung eben dieser übrigen
Sektoren zur Folge. In diesem Kontext muss weiterhin berücksichtigt werden, dass
die Richtlinie in Kriterium Nr. 5 zu Anhang III ausdrücklich eine
ungerechtfertigte Bevorzugung oder Benachteiligung bestimmter Sektoren oder
Unternehmen verbietet. Der Gesetzgeber war auch nicht gehalten, über die von ihm
veranlassten Erhebungen hinaus weitere Erkundigungen über den Bedarf der
einzelnen Sektoren einzuholen.
Dem Gesetzgeber steht diesbezüglich ein
weitgehender Einschätzungsspielraum zu (vgl. auch Schweer/ von Hammerstein, § 6
TEHG, Rdnr. 19). Die Weite des jeweiligen legislativen Spielraums hängt von der
Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, den Möglichkeiten, sich ein
hinreichend sicheres Urteil zu bilden und der Bedeutung der auf dem Spiel
stehenden Rechtsgüter ab (Jarass/Pieroth, Art. 20, Rdnr. 87). Dieser Spielraum
ist im Fall des Emissionshandelsrechts als beträchtlich einzustufen. Zum einen
handelt es sich bei der Rechtsmaterie um ein weltweit völlig neues Gebiet, auf
dem noch keinerlei Erfahrungen vorliegen, und bei dem vielfältige technische und
wirtschaftliche Zusammenhänge einzubeziehen sind. Schließlich kommt dem Beitrag
zum globalen Umweltschutz durch Einhaltung der Klimaschutzziele als Schutzgut
hohe Bedeutung zu (vgl. BVerwG, NVwZ 2005, 1178, 1182).
Innerhalb dieses
Spielraums hat der Gesetzgeber mit der anteiligen Kürzung ein zulässiges Mittel
zur Einhaltung des nationalen Emissionsziels und damit der
Reduktionsverpflichtung gewählt. Es hätte ihm im Rahmen seiner
Einschätzungsprärogative ohne weiteres freigestanden, das nationale
Emissionsbudget nicht auszuschöpfen, den sog. ersten Erfüllungsfaktor (§ 5 ZuG
2007) höher anzusetzen und somit ohne Anwendung eines weiteren Kürzungsfaktors
auf sichere Weise die Einhaltung des Emissionsziels zu gewährleisten. Indem er
sich stattdessen für eine weitestgehende Ausschöpfung des Gesamtbudgets und
größtmögliche Verteilung an die Anlagenbetreiber entschieden hat, wählte er
bewusst ein die betroffenen Wirtschaftskreise weniger belastendes
Mittel.
Die Regelung der anteiligen Kürzung gemäß § 4 Abs. 4 ZuG 2007 ist
auch verhältnismäßig im engeren Sinn, da unter Berücksichtigung der Schwere des
Eingriffs und der Bedeutung des Grundrechts der Eigentumsfreiheit sowie der den
Eingriff rechtfertigenden Gründe für die Klägerinnen die Grenze der Zumutbarkeit
gewahrt wird. Es ist den einzelnen Klägerinnen im Hinblick auf die enorme
Bedeutung des Klimaschutzes (vgl. Art. 20 a GG) zuzumuten, mit der gemäß § 4
Abs. 4 ZuG 2007 gekürzten Menge ihrer Abgabepflicht gemäß § 6 TEHG nachzukommen
und ggf. Berechtigungen am Markt zuzukaufen. Insoweit muss berücksichtigt
werden, dass es gerade der Grundidee des Emissionshandels entspricht, die
betroffenen Unternehmen nicht auf ordnungsrechtliche Weise oder durch Einführung
einer CO2-Steuer zum Klimaschutz zu animieren, sondern ihnen vielmehr die
Möglichkeit zu bieten, sich aufgrund rein wirtschaftlicher Überlegungen zwischen
dem Zukauf von Berechtigungen und der Investition in klimafreundlichere,
CO2-ärmere Technologien zu entscheiden. Darüber hinaus waren Anlagenbetreiber
immissionsschutzrechtlich wegen des dynamischen Charakters der
Betreiberpflichten auch bislang nicht davor geschützt, Verpflichtungen zur
Durchführung emissionsmindernder Maßnahmen auferlegt zu bekommen (vgl. Schweer/
von Hammerstein, § 6 TEHG, Rdnr. 35; ebenso BVerwG, NVwZ 2005, 1178,
1182)
Für die Verfassungsgemäßheit der Norm spielt es insoweit keine
Rolle, dass der zweite Erfüllungsfaktor in der aktuellen Zuteilungsperiode durch
die Beklagte auf ca. 0,9538 festgelegt wurde, da sich die Höhe des
Kürzungsfaktors nicht aus der Norm, sondern erst aus deren Anwendung ergibt. Die
in der Zuteilungsperiode tatsächlich festgesetzte Kürzung beeinträchtigt jedoch
wegen ihrer relativ gesehen geringen Höhe keine der Klägerinnen in unzumutbarer
Weise. Dies gilt umso mehr, als die Richtlinie 2003/87/EG in Art. 10 vorsieht,
dass in der ersten Zuteilungsperiode mindestens 95 % aller Zertifikate kostenlos
zugeteilt werden müssen. Daraus lässt sich im Umkehrschluss entnehmen, dass auch
der Richtliniengeber von der Zumutbarkeit gewisser Kürzungen im Rahmen der
Zuteilung ausging. Darüber hinaus ist der Gesetzgeber der Gefahr einer im
Einzelfall unzumutbaren anteiligen Kürzung dadurch begegnet, dass er die Höhe
der zuzuteilenden Berechtigungen, ab der eine Kürzung gemäß § 4 Abs. 4 ZuG 2007
vorgenommen wird, mit 495 Mio. dem nationalen Emissionsziel von 499 Mio. Tonnen
CO2 pro Jahr weitestgehend angenähert hat. Die Unwahrscheinlichkeit eines diese
Zahl deutlich übersteigenden nationalen Bedarfs an Berechtigungen ergibt sich
aus den vor Erlass des nationalen Zuteilungsplanes und des ZuG 2007
durchgeführten Erhebungen (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Große
Anfrage der CDU/CSU-Fraktion, BT-Drs. 15/5911, S. 6) der Beklagten.
Die
nunmehr vorliegenden Ergebnisse der Emissionsberichterstattung zeigen überdies,
dass eine Vielzahl von Unternehmen trotz der anteiligen Kürzung gemäß § 4 Abs. 4
ZuG 2007 eine nahezu bedarfsgerechte Ausstattung mit Berechtigungen erhalten
hat. Zwei Drittel aller Anlagenbetreiber erhielten sogar mehr Berechtigungen,
als sie tatsächlich benötigten, um ihrer Abgabepflicht gemäß § 6 TEHG
nachzukommen. Insgesamt wurden 474 Mio. Tonnen CO2 emittiert; im Gegenzug dazu
wurden Berechtigungen im Wert von 495 Mio. Tonnen CO2 ausgegeben. Das bedeutet,
dass die Verknappung und damit der Druck auf die Anlagenbetreiber,
Berechtigungen am Markt zuzukaufen, nicht unerträglich hoch waren (vgl. auch
http://www.emissionshandel-fichtner.de/news.html#bericht090506). Wegen dieses
Überschusses an Zertifikaten, die dem Markt nach Durchführung der
Emissionsberichterstattung zur Verfügung standen, sank der Kurs an den
entsprechenden Börsen innerhalb weniger Tage von fast 30 Euro pro Berechtigung
auf unter 11 Euro (vgl. Kurse an der Leipziger Energiebörse, European Energy
Exchange, www.eex.de).
Im Zusammenhang mit der Frage nach der
Zumutbarkeit der Beeinträchtigung und der von den Klägerinnen geltend gemachten
Aufhebung der Privatnützigkeit ihres Eigentums und Unmöglichkeit eines
wirtschaftlichen Betriebes ihrer Anlage muss im Übrigen durchaus berücksichtigt
werden, dass einzelne Klägerinnen aus dem Bereich der Energiewirtschaft
teilweise Gewinne (sog. windfall profits; vgl. Nachricht vom 23. September 2005;
„Die Industrie im Klimawandel“) in Milliardenhöhe erwirtschaftet haben, indem
sie die ihnen kostenlos zugeteilten Berechtigungen mit deren Marktpreis in die
Strompreise einkalkulierten (vgl. u.a. Studie des WWF; Hintergrundinformation
vom 13.2.2006; abzurufen unter www.wwf.de). Insoweit stellte die Einführung des
Emissionshandelssystems insgesamt für etliche Klägerinnen vielmehr eine
zusätzliche Einnahmequelle als eine unerträgliche Belastung ihrer
Eigentumsrechte dar. Dass die Klägerinnen darüber hinaus ein Interesse an einer
(noch) höheren Ausstattung mit Berechtigungen und einer über ihre vorhandenen
Möglichkeiten hinausgehenden Chance zur Umlegung der Berechtigungen auf ihre
Kunden bzw. zur Spekulation mit Berechtigungen am Markt haben, ist aus
ökonomischen Gründen nachvollziehbar, als bloße Gewinnerwartung jedoch nicht von
Art. 14 Abs. 1 GG geschützt.
Auch im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass
die anteilige Kürzung gemäß § 4 Abs. 4 ZuG 2007 bezüglich einzelner Klägerinnen
unzumutbar sein und deshalb eine verfassungswidrige Inhalts- und
Schrankenbestimmung darstellen sollte.
2.4 Ferner verstößt die Regelung
des § 4 Abs. 4 ZuG 2007 nicht gegen die in Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete
Berufsfreiheit. Auch in diesem Zusammenhang darf die anteilige Kürzung nicht
isoliert gesehen werden, sondern muss im Kontext zwischen Abgabepflicht und
Kompensation durch Zuteilung von Berechtigungen beurteilt werden. Die Regelung
des § 4 Abs. 4 ZuG 2007 stellt so verstanden aus den oben angeführten Gründen
eine verhältnismäßige Berufsausübungsregelung, nicht wie einzelne Klägerinnen
meinen eine Berufszulassungsregelung, dar (so bzgl. des Emissionshandelssystems
insgesamt auch BVerwG, NVwZ 2005, 1178, 1182; a.A. Schweer/ von Hammerstein, § 6
TEHG, Rdnr. 37), die bereits durch jede vernünftige Erwägung des Gemeinwohls
legitimiert wird (vgl. BVerfGE 7, 377, 405 f.). Dass die vom Gesetzgeber
verfolgten umweltpolitischen Ziele im Bereich des Klimaschutzes ein solch
zulässiges Gemeinwohlziel darstellen, kann nicht bestritten werden (vgl. auch
BVerwG, NVwZ 2005, 1178, 1182). Die anteilige Kürzung führt letztlich zu einer
(weiteren) Verknappung der Berechtigungen bei den einzelnen Betreibern und
erhöht damit insgesamt den Anreiz zur Reduktion von CO2-Emissionen, sei es
individuell durch Investitionen in die eigene Anlage oder volkswirtschaftlich
betrachtet durch Zukauf von Berechtigungen, welche an anderer Stelle nicht
benötigt werden.
2.5 Weiterhin begegnet die Regelung des § 4 Abs. 4
ZuG 2007 auch im Hinblick auf Art. 3 GG keinen rechtlichen Bedenken. Soweit die
Klägerinnen meinen, es stelle bereits einen Verstoß gegen den
Gleichheitsgrundsatz dar, dass nur die Sektoren Energiewirtschaft und Industrie
von der Emissionshandelspflichtigkeit erfasst seien, so ist dem zunächst
entgegenzuhalten, dass diese Differenzierung zwingend auf den europarechtlichen
Vorgaben der Richtlinie 2003/87/EG (vgl. Anhang I) beruht und deshalb als
unmittelbare Umsetzung sekundären Gemeinschaftsrechts nach der sog.
Solange-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 73, 339;
weitere Nachweise unter I.) derzeit nicht an den Grundrechten, sondern nur am
Maßstab europäischen Verfassungsrechts zu messen ist. Ein Verstoß gegen den
allgemeinen Gleichheitssatz in seiner europarechtlichen Ausprägung ist in der
(im Übrigen vorläufigen) Nichteinbeziehung anderer Sektoren in die
Emissionshandelspflichtigkeit nicht zu erkennen. Nach dem allgemeinen
Gleichheitssatz dürfen vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich
behandelt werden, es sei denn, dass eine Differenzierung objektiv gerechtfertigt
wäre (vgl. EuGH Rs. 117/76 u.a.; Karpenstein, Praxis des EG-Rechts, Rdnr. 272
m.w.N., München 2006). Bei den von der Richtlinie unterschiedenen
volkswirtschaftlichen Makrosektoren handelt es sich bereits nicht um
vergleichbare Sachverhalte: zum einen stellt der Makrosektor Energie und
Industrie trotz einer bereits erfolgten Reduzierung der CO2-Emissionen nach wie
vor den emissionsstärksten Bereich dar (vgl. u.a. Schweer/ von Hammerstein, § 7
TEHG, Rdnr. 35). Zum anderen nutzen die dem Emissionshandel unterworfenen
Anlagen der emissionsstarken Industrie und der Energiewirtschaft –anders als in
der Regel die Sektoren Haushalte und Verkehr- das Umweltmedium Luft für
kommerzielle Zwecke. Darüber hinaus sind die übrigen Sektoren zwar (derzeit) vom
Emissionshandel, nicht jedoch von der Erbringung von Verringerungsbeiträgen im
Rahmen anderer Maßnahmen ausgenommen (vgl. dazu auch Schweer/ von Hammerstein, §
7 TEHG, Rdnr. 34).
Über diese durch die Richtlinie vorgegebene,
gerechtfertigte Differenzierung hinaus findet durch die anteilige Kürzung des §
4 Abs. 4 ZuG 2007 auch keine gegen Art. 3 GG verstoßende gleichheitswidrige
Verschiebung zwischen den einzelnen volkswirtschaftlichen Sektoren statt: soweit
die Klägerinnen argumentieren, dass eine Kürzung (erst) erforderlich werde, wenn
sich im Laufe der Bearbeitung der Zuteilungsanträge herausstelle, dass mehr
Anlagen emissionshandelspflichtig im Sinne von § 2 Abs. 1 TEHG i.V.m. Anhang 1
sind, als ursprünglich angenommen (vgl. dazu auch Schweer/ von Hammerstein, § 7,
Rdnr. 38), so ist dem entgegenzuhalten, dass ein schutzwürdiges Vertrauen in
einen „Maximalbestand“ an emissionshandelspflichtigen Anlagen ebenso wenig
anzuerkennen ist wie ein Vertrauen in die Höhe der von anderen, bereits vor der
Zuteilung als emissionshandelspflichtig angesehenen Anlagen abzugebenden
Emissionen, welche ihrerseits die Gesamtmenge der zuzuteilenden Berechtigungen
erhöhen und zu einer (stärker ausfallenden) anteiligen Kürzung führen
können.
Auch bezüglich der Tatsache, dass verschiedene andere
Anlagengruppen wie beispielsweise „jüngere Bestandsanlagen“ gemäß § 8 Abs. 1 ZuG
2007 oder solche Anlagen, die nach dem 1. Januar 1994 bestimmte
Emissionsminderungsmaßnahmen vorgenommen haben, von § 4 Abs. 4 ZuG 2007 nicht
erfasst werden, liegt keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung vor.
Voraussetzung einer verfassungsrechtlich relevanten Ungleichbehandlung ist
zunächst, dass die zu vergleichenden Personen oder Situationen einem gemeinsamen
Oberbegriff unterfallen. Nach diesem Maßstab sind weder Early-Action-Anlagen
noch jüngere Bestandsanlagen mit den von der anteiligen Kürzung betroffenen
Bestands- und Optionsanlagen auf der Grundlage ihrer Ausgangssituation
vergleichbar: zwar handelt es sich jeweils um emissionshandelspflichtige
Anlagen. Anlagen, die von der Early-Action-Regelung des § 12 ZuG 2007
profitieren, werden durch die Zuteilungsregeln begünstigt, weil sie bereits
frühzeitig durch Investitionen in moderne Anlagen zur –Verringerung der
CO2-Emissionen beigetragen haben (vgl. BT-Drs. 15/2966, S. 23). Eine
Gleichbehandlung mit den übrigen Bestandsanlagen würde faktisch zu einer
Benachteiligung derjenigen Anlagen führen, die in der relevanten Basisperiode
nur deshalb weniger CO2 emittierten, weil sie bereits in den 90-er Jahren des
letzten Jahrhunderts in klimaschonendere Technologien investiert hatten. Auf der
Grundlage der Grandfathering-Methode mit der Anwendung eines Erfüllungsfaktors
würden diese Anlagen deutlich weniger Berechtigungen erhalten.
Selbst
wenn diejenigen Anlagen, die eine Zuteilung nach §§ 8 oder 12 ZuG 2007 beantragt
und erhalten haben, den Anlagen der Klägerinnen vergleichbar wären, so wäre die
durch die Nichtanwendung der anteiligen Kürzung gemäß § 4 Abs. 4 ZuG 2007
entstandene Ungleichbehandlung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Zum
einen hat der Gesetzgeber bezüglich der Ungleichbehandlung durch Normen einen
weiten Ermessens- und Gestaltungsspielraum (vgl. BVerfGE 80, 109, 118; 64, 158,
168 f.; 66, 84, 95; Jarass/Pieroth, Art. 3, Rdnr. 26). Dies gilt umso mehr, als
es sich bei der konkreten Zuteilung der Berechtigungen um eine gewährende
staatliche Leistung handelt. Vorliegend hat der Gesetzgeber mit den
Zuteilungsregeln des ZuG 2007 eine zulässige und notwendige Typisierung
vorgenommen. Diese Typisierung ist nicht willkürlich, sondern verfolgt den
legitimen Zweck der Umsetzung der Richtlinie 2003/87/EG unter Schaffung eines
effizienten Marktes. Eine Gleichbehandlung von Early-action-Anlagen und
Bestandsanlagen würde im Übrigen auch der Richtlinie zuwiderlaufen (vgl. u.a.
Anhang III der Richtlinie, Kriterien 3, 6 und 8).
IV. § 4 Abs. 4 ZuG
2007 ist auch auf die sog. Optionsanlagen anwendbar.
1. Dem steht
zunächst nicht der Wortlaut der Vorschrift entgegen: § 4 Abs. 4 ZuG 2007 sieht
vor, dass bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen die Zuteilungen an
Anlagen, die dem Erfüllungsfaktor unterliegen, anteilig gekürzt werden. Zwar
findet bei der Zuteilung an Optionsanlagen gemäß §§ 7 Abs. 12 Satz 1, § 11 Abs.
1 Satz 3 ZuG 2007 ein Erfüllungsfaktor keine Anwendung. Die von der Option des §
7 Abs. 12 ZuG 2007 Gebrauch machenden Anlagen als solche unterliegen jedoch
weiterhin dem Erfüllungsfaktor des § 5 ZuG 2007 im Sinne von § 4 Abs. 4 ZuG
2007. Zum einen besteht bereits ein sprachlicher Unterschied zwischen „Anwendung
finden“ und „unterliegen“. Die Anlagen der Klägerinnen unterliegen insoweit dem
Erfüllungsfaktor des § 5 ZuG 2007, als sie trotz der Ausübung der Option
weiterhin Bestandsanlagen im Sinne von § 7 ZuG 2007 bleiben und nicht zu
Neuanlagen werden (sog. Anlagenakzessorietät).Der Erfüllungsfaktor findet auf
die sie betreffenden Zuteilungsentscheidungen lediglich in dieser
Zuteilungsperiode keine Anwendung. Den Klägerinnen ist zwar insoweit zuzugeben,
dass in diesem Fall auch jüngere Bestandsanlagen, auf die gemäß § 8 Abs. 1 Satz
2 ZuG 2007 ein Erfüllungsfaktor ebenfalls „keine Anwendung“ findet, ebenfalls
entgegen der Praxis der Beklagten von der anteiligen Kürzung erfasst sein
könnten. Daraus kann jedoch nicht im Umkehrschluss abgeleitet werden, dass die
Optionsanlagen von der anteiligen Kürzung des § 4 Abs. 4 ZuG 2007 bereits nach
dem Wortlaut der Norm zwingend ausgenommen sein müssen. Dies gilt umso mehr, als
es sich bei den Anlagen nach § 8 ZuG 2007 im Gegensatz zu den Optionsanlagen
schon gar nicht um Bestandsanlagen im Sinne des ZuG 2007 handelt und bezüglich
dieser keine Anlagenakzessorietät besteht.
2. Selbst wenn die
Unterscheidung zwischen „unterliegen“ und „Anwendung finden“ vom Gesetzgeber
nicht bewusst gewählt worden sein sollte, ergibt eine Auslegung des
Gesamtzusammenhangs der Norm sowie eine systematische Auslegung von § 4 Abs. 4
ZuG 2007 im weiteren Regelungszusammenhang des ZuG 2007, dass auch
Optionsanlagen aufgrund der Anlagenakzessorietät von der anteiligen Kürzung des
§ 4 Abs. 4 ZuG 2007 erfasst werden: Nach § 4 Abs. 4 ZuG 2007 kommt es zu einer
anteiligen Kürzung, wenn die Gesamtmenge der nach den Vorschriften des ZuG 2007
zuzuteilenden Berechtigungen mit Ausnahme der nach § 11 ZuG 2007 zuzuteilenden
Berechtigungen den Gegenwert von 495 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr übersteigt. Da die
Zuteilungen für echte Neuanlagen gemäß § 11 ZuG 2007 aus der Reserve des § 6
Abs. 1 ZuG 2007 erfolgen und demnach im Gegensatz zu den Optionsanlagen das
Gesamtbudget nicht belasten, bleiben sie auch bei der Berechnung der anteiligen
Kürzung unberücksichtigt. Darin besteht der grundlegende Unterschied zu den
optierenden Bestandsanlagen, für welche die Zuteilung wie für sonstige
Bestandsanlagen aus dem allgemeinen Budget erfolgt. Wären die Optionsanlagen,
wie die Klägerinnen teilweise meinen, schon nicht in die im Rahmen von § 4 Abs.
4 ZuG 2007 zu berücksichtigende Gesamtmenge einzubeziehen, so wäre im Übrigen
völlig unklar, woraus sich die dem nationalen Emissionsziel angenäherte Zahl von
495 Mio. Tonnen CO2 ergeben und aus welchem Budget die Zuteilung für
Optionsanlagen erfolgen sollte.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht, wie
die Klägerinnen meinen, aus der Vorschrift des § 7 Abs. 12 Satz 1 ZuG 2007,
welche vorsieht, dass auf Antrag des Betreibers die Zuteilung statt nach § 7 ZuG
2007 nach § 11 ZuG 2007 erfolgt. Dieser Rechtsfolgenverweis führt nicht dazu,
dass die optierenden Anlagen aus dem Zuteilungsregime für Bestandsanlagen
gänzlich entlassen werden. Die Optionsanlagen bleiben trotz der von § 7 Abs. 1
bis 6 ZuG 2007 abweichenden Zuteilungsmethode ihrer Natur nach Bestandsanlagen,
denen lediglich die Möglichkeit eingeräumt wird, die Zuteilung auf der Grundlage
der für sie ggf. günstigeren Vorschrift des § 11 ZuG 2007 zu beantragen. Für
diese Anlagenakzessorietät spricht auch die Stellung des § 7 Abs. 12 ZuG 2007 im
Rahmen der Zuteilungsregeln für Bestandsanlagen. In diesem Zusammenhang muss
beachtet werden, dass die Zuteilung auf der Grundlage historischer Emissionen in
der aktuellen Zuteilungsperiode in der Bundesrepublik wie in den meisten
EU-Mitgliedsstaaten (vgl. Vergleich der nationalen Allokationspläne der
Mitgliedsstaaten, S. 16 ff., abzurufen unter -> Emissionshandel in der EU
-> Nationale Allokationspläne) die primäre Allokationsmethode darstellt. Dies
ergibt sich schon aus dem nationalen Allokationsplan (vgl. dort S. 32
ff.).
Dass die anteilige Kürzung des § 4 Abs. 4 ZuG 2007 neben dem
Erfüllungsfaktor des § 5 ZuG 2007 eine eigenständige Bedeutung und einen
unterschiedlichen Anwendungsbereich hat, ergibt sich schließlich daraus, dass
der Gesetzgeber die anteilige Kürzung im Rahmen der Vorschriften über die
nationalen Emissionsziele, nicht hingegen in § 5 ZuG 2007 geregelt
hat.
3. Eine historische Auslegung von § 4 Abs. 4 ZuG 2007 kommt zu
keinem anderen Ergebnis. Diese Auslegungsmethode ist vorliegend unergiebig, da
sowohl die Optionsmöglichkeit des § 7 Abs. 12 ZuG 2007 als auch die anteilige
Kürzung des § 4 Abs. 4 ZuG 2007 im ursprünglichen Entwurf des ZuG 2007 nicht
vorgesehen waren, erst spät im Gesetzgebungsverfahren in das Gesetz eingefügt
wurden und zu keiner der beiden Vorschriften aussagekräftige
Gesetzgebungsmaterialien existieren.
4. Eine am Sinn und Zweck der
betreffenden Vorschriften orientierte Auslegung stützt ebenfalls die Anwendung
von § 4 Abs. 4 ZuG 2007 auf die Optionsanlagen. Eine solche teleologische
Auslegung muss dabei den Hintergrund beider relevanter Normen im Blick behalten.
Dies gilt umso mehr, als beide Vorschriften in einem unmittelbaren zeitlichen
Zusammenhang in das Gesetz eingefügt wurden. Ziel der anteiligen Kürzung des § 4
Abs. 4 ZuG 2007 ist es, eine Überschreitung des nationalen Gesamtbudgets zu
verhindern. Nähme man die Optionsanlagen von der anteiligen Kürzung aus, so wäre
die Einhaltung des nationalen Emissionsziels nicht gewährleistet. Wie das
Zuteilungsverfahren gezeigt hat, führten gerade die Zuteilungen an die Vielzahl
der Anlagen, welche von der Optionsmöglichkeit des § 7 Abs. 12 ZuG 2007 Gebrauch
gemacht hatten, zu der Überschreitung des Gesamtbudgets und damit zur
Notwendigkeit der anteiligen Kürzung. Insoweit ist es irrelevant, dass, wie die
Klägerinnen behaupten, die Beklagte nicht mit einer so großen Anzahl von
Optionsanlagen gerechnet habe. Die in § 4 ZuG 2007 festgelegten Emissionsziele
stellen, wie oben ausgeführt, starre Obergrenzen dar, die für das Entstehen
eines funktionierenden Zertifikat-Marktes unabdingbar sind. Die Einhaltung
dieser Ziele und die Korrespondenz von nationalem Allokationsplan und
Zuteilungsregeln kann nur dadurch erreicht werden, dass die
Zuteilungsentscheidungen durch die Stellschraube des § 4 Abs. 4 ZuG 2007 eine
Korrektur erfahren. Im Rahmen einer gerechten Lastenverteilung müssen auch die
Zuteilungen an Optionsanlagen dieser Kürzung unterliegen, da ansonsten die
Reduktionslast der nichtoptierenden Bestandsanlagen, deren Zuteilungen ohnehin
schon um den Erfüllungsfaktor gemäß § 5 ZuG 2007 gekürzt werden,
unverhältnismäßig hoch wäre.
Soweit die Klägerinnen argumentieren, im
Gegensatz zu den nichtoptierenden Bestandsanlagen, bei welchen sich die
Reduktionsverpflichtung in der Anwendung des Erfüllungsfaktors und der
anteiligen Kürzung widerspiegele, kämen sie ihrer Reduktionsverpflichtung
bereits durch die Orientierung an den besten verfügbaren Techniken der
Benchmarks nach, verkennen sie, dass die anteilige Kürzung des § 4 Abs. 4 ZuG
2007 nicht die individuelle Reduktionsverpflichtung der jeweiligen Anlage,
sondern vielmehr die Einhaltung des nationalen Gesamtbudgets im Blick hat. Die
anteilige Kürzung erfolgt somit unabhängig davon, inwieweit eine Anlage bereits
ihrer individuellen, durch die Zuteilungsregeln konkretisierten
Reduktionsverpflichtung nachgekommen ist.
Die Beklagte muss auch nicht
etwa einen durch die häufige Ausübung der Option entstehenden Mehrbedarf durch
den eigenen Zukauf von Berechtigungen am Markt decken. Die Beschaffung von
Zertifikaten am Markt durch die Beklagte hat der Gesetzgeber ausdrücklich nur
für den Fall vorgesehen, dass die Neuanlagenreserve nicht ausreicht (§ 6 Abs. 3
ZuG 2007).
Die Optionsmöglichkeit des § 7 Abs. 12 ZuG 2007 war im
ursprünglichen Entwurf des Zuteilungsgesetzes (BT-Drs. 15/2966) nicht
vorgesehen. Sie wurde am Ende des Gesetzgebungsverfahrens eingefügt, um
bestimmten Anlagenbetreiber eine höhere Zuteilung von Berechtigungen zu
ermöglichen. Betroffen sind zum einen Betreiber von besonders modernen und
emissionsschwachen Bestandsanlagen, deren Emissionswerte den Benchmarks
entsprechen oder sich ihnen zumindest annähern. Diesen dem Stand der Technik
nahezu entsprechenden Altanlagen sollen ihre relativ geringen CO2-Emissionen in
der Basisperiode nicht zum Nachteil gereichen.
Da solche effizienten
Altanlagen jedoch eher selten anzutreffen sein dürften und in der Regel die
Vorteile der Early-Action-Privilegierung des § 12 ZuG 2007 in Anspruch nehmen
können, erweist sich § 7 Abs. 12 ZuG 2007 als besonders günstig vor allem für
diejenigen Betreiber, deren Anlagen in der relevanten Basisperiode, etwa aus
Gründen der Konjunkturschwäche oder wegen wartungsbedingter Produktionsausfälle,
nicht in zureichender Weise ausgelastet waren, für die aber die Härtefallregeln
der §§ 7 Abs. 10 und 11 ZuG 2007 nicht einschlägig sind. Diese Anlagen, welche
auf der Basis des Grandfathering-Prinzips aufgrund ihrer geringeren
CO2-Emissionen weniger Berechtigungen erhalten hätten, können bei entsprechender
Produktionssteigerung durch die Ausübung der Option eine höhere Zuteilung
erzielen. Die Einführung des Optionsrechts war jedoch im Gegensatz zu den
Härtefallklauseln nicht zur Vermeidung unzumutbarer Härten verfassungsrechtlich
geboten (so aber Begemann/Lustermann, NVwZ 2006, 135, 137). Vielmehr stellt die
Optionsregelung ein Zugeständnis an die Anlagenbetreiber dar, welches es ihnen
ermöglicht, sich auf der Grundlage betriebswirtschaftlicher Erwägungen für eine
Zuteilungsvariante zu entscheiden.
Da die zuständige Behörde bereits vor
dem Zuteilungsverfahren ihre Rechtsauffassung zur Anwendbarkeit der anteiligen
Kürzung auf die Optionsanlagen veröffentlicht hat (vgl. Leitfaden
Zuteilungsregeln 2005-2007, S. 7; anzurufen unter -> downloads), können sich
die Klägerinnen auch nicht darauf berufen, sie hätten von der Option keinen
Gebrauch gemacht, wenn sie um die Anwendbarkeit der anteiligen Kürzung auf die
Optionsanlagen gewusst hätten. Vielmehr stand es jedem Betreiber im Rahmen
seiner individuellen betriebswirtschaftlichen Kalkulation frei, die für ihn
günstigste Zuteilungsvariante auszuwählen und einen entsprechenden Antrag bei
der zuständigen Behörde zu stellen.
Eine darüber hinausgehende
Besserstellung der Optionsanlagen durch die Aussparung von der anteiligen
Kürzung bezweckt das ZuG 2007 hingegen nicht. Soweit die Klägerinnen behaupten,
mit der Ausübung des Optionsrechtes sei für sie keine Besserstellung gegenüber
den sonstigen Bestandsanlagen verbunden, verkennen sie, dass auch eine
Verringerung einer sonst bestehenden Belastung eine Begünstigung darstellt. Es
ist davon auszugehen, dass die Optionsanlagen als Gewerbebetriebe mit
Gewinnerzielungsabsicht diese Art der Zuteilung nur wählten, weil sie dadurch
eine höhere Zuteilung erreichen konnten.
Für die Anwendung der anteiligen
Kürzung auf die Optionsanlagen spricht auch der von der Beklagten befürchtete
Selbstverstärkungseffekt, der dem Zuteilungsregime des ZuG 2007 zuwiderliefe:
wären die Optionsanlagen von der anteiligen Kürzung des § 4 Abs. 4 ZuG 2007
ausgenommen, so könnten diese Bestandsanlagen eine noch höhere Zuteilung
erreichen, wodurch die Optionsregelung wiederum an Attraktivität gewönne. Immer
mehr Bestandsanlagen würden von der Option Gebrauch machen, wodurch entweder das
nationale Emissionsbudget nicht mehr eingehalten werden könnte, oder die wenigen
verbleibenden Bestandsanlagen eine noch stärkere Kürzung ihrer Zuteilungen
erfahren müssten. Ein solches Ergebnis widerspräche in mehrfacher Hinsicht der
Zielsetzung des ZuG 2007: zum einen stellt die Einhaltung des Gesamtbudgets das
wesentliche Ziel des Emissionshandels dar. Zum anderen bestünde die Gefahr einer
gänzlich ungerechten Lastenverteilung zwischen den Anlagen, die auch im
Widerspruch zu den europarechtlichen Vorgaben der Richtlinie 2003/87/EG stünde.
Schließlich würde die Regelzuteilung auf der Grundlage des
Grandfathering-Prinzips zur Ausnahmezuteilung. Der Gesetzgeber hat sich aber
gerade bewusst in dieser Zuteilungsperiode im Grundsatz gegen die Zuteilung auf
der Grundlage von Benchmarks entschieden (vgl. NAP, S. 32 ff.; vgl. auch
ursprünglicher Gesetzentwurf des ZuG, BT-Drs. 15/2966, S. 17). Diese Art der
Zuteilung steht gerade nicht, wie die Klägerinnen meinen, gleichwertig neben der
Zuteilung auf der Basis historischer Emissionen.
5. Soweit die
Klägerinnen auf den Regelungszusammenhang mit dem Bundesimmissionsschutzgesetz
(BImSchG) verweisen und die Nichtanwendung der anteiligen Kürzung auf die
Optierer damit begründen wollen, dass diesen keine über den Stand der Technik
hinausgehenden Anforderungen auferlegt werden dürften, geht diese Argumentation
fehl. Zwar ist der Stand der Technik mit dem in den Benchmarks verkörperten
Maßstab der besten verfügbaren Techniken identisch. Im Gegensatz zu den
Anforderungen des Immissionsschutzrechts beeinträchtigt die
Zuteilungsentscheidung in Verbindung mit der gemäß § 6 TEHG bestehenden
Abgabepflicht bereits nicht unmittelbar den Anlagenbetrieb. Eine Optionsanlage,
welche nicht dem Stand der Technik entspricht, was im Übrigen auf einen Großteil
der Optionsanlagen zutreffen dürfte, ist weder immissionsschutzrechtlich noch
durch die Emissionshandelspflichten daran gehindert, den Anlagenbetrieb –ggf.
durch Zukauf von Berechtigungen am Markt- fortzusetzen. Darüber hinaus verkennen
die Klägerinnen, dass den Optionsanlagen bezüglich der Zuteilungsentscheidung
nicht der Maßstab des Standes der Technik aufgebürdet wurde, sondern sie sich
diesem –gänzlich unabhängig von ihrer immissionsschutzrechtlichen Situation-
freiwillig unterstellt haben.
6. Die Anwendung der anteiligen Kürzung
gemäß § 4 Abs. 4 ZuG 2007 begründet schließlich keinen Verstoß gegen Art. 3 GG.
Soweit die Klägerinnen die Ungleichbehandlung mit Early-Action-Anlagen rügen,
stellen diese bereits keine geeignete Vergleichgruppe dar (vgl. dazu III 2.5).
Im Übrigen wäre eine Ungleichbehandlung im Rahmen der dem gesetzgeberischen
Spielraum überlassenen Typisierung zulässig.
Die Klägerinnen werden auch
im Vergleich zu echten Neuanlagen nicht willkürlich schlechter gestellt. Im
Gegensatz zu diesen Anlagen, die schon aus immissionsschutzrechtlichen Gründen
über die besten verfügbaren Techniken verfügen müssen, handelt es sich bei den
Optionsanlagen keineswegs stets um besonders effiziente und klimafreundliche
Anlagen (so aber wohl Spieth/Hamer, EurUP 2004, 300, 305). Darüber hinaus
verkennen die Klägerinnen, dass sie nicht durch einen hoheitlichen Akt den
Neuanlagen gleichgestellt worden waren, sondern die Zuteilung nach §§ 7 Abs. 12,
11 ZuG 2007 in einer gewiss von betriebswirtschaftlichen Erwägungen getragenen
Entscheidung bewusst selbst gewählt hatten.
Vielmehr ist gerade die
Einbeziehung der Optionsanlagen in den Anwendungsbereich des § 4 Abs. 4 ZuG 2007
aus Gleichbehandlungsgründen verfassungsrechtlich geboten: die Nichtanwendung
der anteiligen Kürzung auf die Optionsanlagen eine vom Gesetzgeber nicht
gewollte und insgesamt ungerechtfertigte Besserstellung der Optionsanlagen
gegenüber den sonstigen Bestandsanlagen dar.
V. Die Beklagte hat bei
der Zuteilung die Regelung des § 4 Abs. 4 ZuG 2007 auch richtig angewandt. Die
Tatbestandsvoraussetzungen für die anteilige Kürzung waren im Zeitpunkt der
Zuteilung gegeben, da die zuzuteilende Menge die Zahl von 495 Mio.
überschritt.
1. Zwar ist den Klägerinnen insoweit Recht zu geben, als
bezüglich der Frage nach dem Bestehen eines Rechtsanspruches bei
Verpflichtungskonstellationen in der Regel der Zeitpunkt der letzten mündlichen
Verhandlung maßgeblich ist (vgl. Kopp/ Schenke, VwGO, § 113, Rdnr. 217, 14.
Aufl., München 2005). Entgegen der Auffassung der Klägerinnen stand ihnen jedoch
auch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung kein Anspruch auf die
begehrten zusätzlichen Berechtigungen zu, da die anteilige Kürzung des § 4 Abs.
4 Zug 2007 durch die Beklagte in zutreffender Weise angewandt wurde. Maßgeblich
für die Anwendung der anteiligen Kürzung gemäß § 4 Abs. 4 ZuG 2007 und die
Berechnung des Kürzungsfaktors war nämlich der von der Beklagten gewählte
Zeitpunkt unmittelbar vor Erlaß der Zuteilungsbescheide im Dezember 2004. Der
Zeitpunkt der maßgeblichen Sach- und Rechtslage ist stets dem materiellen Recht
zu entnehmen (BVerwGE 42, 296, 300). Die Auslegung der streitentscheidenden Norm
§ 4 Abs. 4 ZuG 2007 ergibt, dass für die Anwendung der anteiligen Kürzung kein
anderer Zeitpunkt in Betracht kommt.
1.1 Dies ergibt sich zunächst
bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift: danach kommt die anteilige Kürzung zur
Anwendung, wenn die Menge der zuzuteilenden Berechtigungen 495 Mio. Tonnen
Kohlendioxid übersteigt. Die attributive Verwendung des Gerundivums
verdeutlicht, dass die Kürzung zu einem Zeitpunkt berechnet werden muss, in dem
eine Zuteilung noch nicht stattgefunden hat (vgl. Körner/ Vierhaus, § 4 ZuG
2007, Rdnr. 18). Eine andere Beurteilung ist auch nicht dadurch gerechtfertigt,
dass im Rechtsfolgenteil der Norm davon die Rede ist, die vorgenommenen
Zuteilungen anteilig zu kürzen. Zwar ließe die Verwendung des Partizip Perfekt
(Partizip 2) als Verbaladjektiv den Schluss zu, dass eine Kürzung erst zu einem
–im einzelnen streitigen (vgl. Körner/Vierhaus, § 4 ZuG 2007, Rdnr. 16 f.) -
Zeitpunkt nach Erlass der eigentlichen Zuteilungsentscheidung zur Anwendung
käme. Aus dem Kontext der Vorschrift wird jedoch deutlich, dass das Partizip
Perfekt „vorgenommen“ im Zusammenhang mit dem Satzteil „nach den genannten
Vorschriften“ zu lesen ist und lediglich der Klarstellung dient, dass
Zuteilungen für echte Neuanlagen nach § 11 ZuG 2007 nicht der anteiligen Kürzung
unterfallen. Ein nach der Zuteilungsentscheidung liegender Zeitpunkt für die
Anwendung der anteiligen Kürzung soll dadurch nicht begründet werden.
1.2
Eine historische Auslegung der Vorschrift des § 4 Abs. 4 ZuG 2007 kommt zu
keinem anderen Ergebnis: eine Auslegung anhand der Gesetzesmaterialien ist nicht
möglich, da § 4 Abs. 4 ZuG 2007 erst im Laufe des Vermittlungsverfahrens in das
Gesetz eingefügt wurde und deshalb dazu im einzelnen keinerlei Materialien
existieren (BT-Drs. 15/2966, S. 19). Die Begründung zu § 17 ZuG 2007 stützt
jedoch die Annahme einer einmaligen Berechnung der anteiligen Kürzung vor Erlass
der Zuteilungsentscheidungen: danach muss die zuständige Behörde im Hinblick auf
eine rechtzeitige Zuteilungsentscheidung zu einem bestimmten Zeitpunkt das
Antragsverfahren schließen und eine Entscheidung auf der Basis der vorgelegten
Unterlagen treffen (BT-Drs. 15/2966, S. 26).
1.3 Die systematische
Auslegung von § 4 Abs. 4 ZuG 2007 führt ebenfalls zu der Annahme einer
einmaligen Berechnung der anteiligen Kürzung vor Erlass der Zuteilungsbescheide.
Das gesamte, durch TEHG und ZuG 2007 aufgestellte System des Emissionshandels
ist dadurch geprägt, dass die Zuteilung der Berechtigungen zu einem
einheitlichen Zeitpunkt zu Beginn der Handelsperiode erfolgt. So sieht
beispielsweise § 19 ZuG 2007 vor, dass die Gesamtmenge der Berechtigungen in
jeweils drei großen Teilmengen jährlich ausgegeben wird. Durch eine Kürzung nach
Erlass der Zuteilungsentscheidung während der Zuteilungsperiode könnte dies
nicht gewährleistet werden und die Bildung eines effizienten Marktes würde
erschwert.
1.4 Auch aus europarechtlicher Sicht stellt sich für die
Vornahme der anteiligen Kürzung der Zeitpunkt vor Erlass der endgültigen
Zuteilungsentscheidung als allein zulässig dar. Dies ergibt sich bereits daraus,
dass das gesamte System der Richtlinie 2003/87/EG ebenfalls von der Konstruktion
einer Vorabzuteilung ausgeht. Nachträgliche Anpassungen der zugeteilten
Berechtigungen, zu welchen ein flexibler Kürzungsfaktor oder eine Anwendung der
anteiligen Kürzung zu einem Zeitpunkt nach Erlass der erstmaligen
Zuteilungsentscheidung führen würden, verstießen deshalb gegen Art. 9 Abs. 3
Satz 2 der Richtlinie (vgl. auch Körner, § 4 ZuG 2007, Rdnr. 25). Auch das von
den Klägerinnen selbst ins Feld geführte, in der Richtlinie nicht explizit
enthaltene generelle Verbot von Ex-Post-Korrekturen spricht dafür, eine Kürzung
nur vor Erlass der Zuteilungsentscheidung zuzulassen. Diese Annahme findet ihre
Stütze auch darin, dass sowohl die Kommission, als auch das Gericht erster
Instanz davon ausgehen, dass es für das Entstehen eines Marktes für
Emissionsberechtigungen unabdingbar sei, dass der einzelne Anlagenbetreiber die
ihm zugeteilten Berechtigungen in seine Kalkulation einbeziehen könne. Jede
Planungs- und Investitionssicherheit sowie die Umlauffähigkeit der
Berechtigungen am Markt wären jedoch verloren, wenn die betroffenen
Anlagenbetreiber, nachdem ihnen in einer ursprünglichen Zuteilungsentscheidung
eine bestimmte Menge an Berechtigungen zugeteilt worden ist, stets mit der
Anwendung eines in seiner Höhe letztlich bis zum Ende der Zuteilungsperiode
nicht absehbaren Kürzungsfaktors rechnen müssten.
1.5 Schließlich würde
jede andere Auslegung von § 4 Abs. 4 ZuG 2007 dazu führen, dass die Vorschrift
gänzlich unpraktikabel wäre und deshalb nicht zur Anwendung gebracht werden
könnte. Würde man, wie teilweise vorgeschlagen, die anteilige Kürzung erst nach
Bestandskraft aller Zuteilungsentscheidungen zur Anwendung bringen, so führte
dies letztlich dazu, dass über keinen Zuteilungsantrag je entschieden werden
könnte, da vor Ablauf der Zuteilungsperiode nicht feststünde, ob die Gesamtmenge
von 495 Mio. Tonnen Kohlendioxid überschritten wurde oder nicht. Ein Abschluss
des Zuteilungsverfahrens wäre vor Ende der Zuteilungsperiode überhaupt nicht
denkbar (vgl. Körner/ Vierhaus, § 4 ZuG 2007, Rdnr. 28). Eine teleologische
Auslegung, die dem Gesetzgeber insoweit unterstellen darf, dass er
vollzugsfähige Gesetze schaffen will, führt demnach ebenfalls dazu, dass der für
die anteilige Kürzung maßgebliche Zeitpunkt vor Erlass der
Zuteilungsentscheidung liegen muss. Dies gilt umso mehr, als § 4 Abs. 4 ZuG 2007
als Stellschraube zwischen Makroplan und Mikroplan dem wichtigen Ziel der
Einhaltung des cap dient, ohne welches das gesamte Konzept des Emissionshandels
nicht funktionieren könnte.
2. Soweit die Klägerinnen rügen, der
Kürzungsfaktor sei –selbst wenn man entgegen ihrer Ansicht von einer einmaligen
Berechnung vor Erlass der Zuteilungsentscheidung ausginge- schon deshalb der
Höhe nach falsch berechnet worden, weil sich im Nachhinein gezeigt habe, dass
die Beklagte aus unterschiedlichen Gründen in vielen Fällen zu einem falschen
Zuteilungsergebnis gekommen sei und sich bei richtiger Anwendung der
Zuteilungsregeln ein für die Klägerinnen günstigerer Zuteilungsfaktor ergeben
hätte, so ist dem zunächst bereits entgegenzuhalten, dass in keiner Weise
eindeutig ist, dass etwaige Fehlzuteilungen durch die Beklagte sich stets nur
zugunsten der Klägerinnen ausgewirkt hätten. So sind beispielsweise allein bei
der Kammer zwei Rechtsstreite (VG 10 A 274.05 und VG 10 A 273.05) anhängig, bei
denen die Beklagte im Fall des Erfolges der dortigen Klägerinnen insgesamt ca.
19 Mio. Berechtigungen zu wenig zugeteilt hätte und der Kürzungsfaktor deshalb
zu Lasten der hiesigen Klägerinnen deutlich höher ausgefallen wäre. Ein
flexibler Kürzungsfaktor müsste in jedem Fall auch fehlerhaft erfolgte
Minderausstattungen berücksichtigen, ohne dass die Beklagte, wie die Klägerinnen
meinen, zur Erfüllung der entsprechenden Ansprüche Berechtigungen am Markt
zukaufen müsste. Die vom Gesetzgeber vorgegebenen Grenzen der Emissionsziele
stellen nach Auffassung der Kammer –unabhängig von der Bezeichnung als „Ziele“ –
starre Obergrenzen dar, die nicht ohne weiteres überschritten werden können.
Diese Auslegung wird auch dadurch gestützt, dass der Gesetzgeber nur für den
Fall, dass die Neuanlagenreserve gemäß § 6 ZuG 2007 nicht ausreicht,
ausdrücklich den Zukauf vorgesehen hat (§ 6 Abs. 3 Satz 1 ZuG 2007). Im
Umkehrschluss dazu lässt sich annehmen, dass ein darüber hinausgehender Zukauf
durch die Beklagte nicht geboten ist. Ein solcher würde darüber hinaus auf
nationaler Ebene dem Ziel der allgemeinen Verknappung zuwiderlaufen und die
Verminderung von CO2-Emissionen für die Anlagenbetreiber weniger attraktiv
machen.
Etwaige Fehlallokationen bei den ursprünglichen
Zuteilungsentscheidungen sind demnach für die Richtigkeit des Kürzungsfaktors
gemäß § 4 Abs. 4 ZuG 2007 irrelevant. Die eingeschränkte nachträgliche
Überprüfbarkeit ergibt sich bereits aus einer Auslegung des Wortlauts der Norm:
wenn § 4 Abs. 4 ZuG 2007 von den „zuzuteilenden“ Berechtigungen spricht, ist
diesem Begriff ein Element der behördlichen Einschätzung immanent. Dass dadurch
die behördlichen Zuteilungsentscheidungen und eine daraus resultierende
anteilige Kürzung gemäß § 4 Abs. 4 ZuG 2007 nicht der Willkür preisgegeben
werden, ergibt sich nicht zuletzt aus der aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art.
20 GG abzuleitenden Pflicht der Beklagten zu gesetzestreuem Verhalten. Darüber
hinaus hat die Zuteilungsbehörde gemäß § 17 Satz 1 ZuG 2007 die nach dem
Zuteilungsgesetz erforderlichen Angaben der Betreiber zu überprüfen. Die Daten,
auf welche die Beklagte die Zuteilungsentscheidung stützt, müssen gemäß § 17
Satz 3 ZuG 2007 ausreichend gesichert sein. Unter anderem wird dies dadurch
erreicht, dass die Angaben der Betreiber von unabhängigen Sachverständigen
verifiziert werden müssen, § 10 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 und 2 TEHG. Zweck dieser
Vorschriften ist es, die Richtigkeit der Zuteilungsentscheidungen zu
gewährleisten (vgl. Körner/ Vierhaus, § 17 ZuG 2007, Rdnr. 1). Da das
Antragsverfahren zu einem bestimmten Zeitpunkt geschlossen werden muss (vgl.
BT-Drs. 15/2966, S. 26), gilt für die unter Berücksichtigung von § 17 ZuG 2007
getroffenen Zuteilungsentscheidungen ein umfassender Richtigkeitsanspruch (vgl.
Körner/ Vierhaus, § 17 ZuG 2007, Rdnr. 4).
Zwar steht der Beklagten
keinerlei „Verfahrensermessen“ oder Beurteilungsspielraum bei der Bearbeitung
der Zuteilungsentscheidungen zu. Will man aber das gesamte Konzept der
anteiligen Kürzung nicht ad absurdum führen, muss es der Vorschrift des § 4 Abs.
4 ZuG 2007 inhärent sein, dass die anteilige Kürzung, die insoweit eine
Annäherung an das Emissionsziel mit einem gewissen Prognosecharakter darstellt,
zu einem bestimmten Zeitpunkt festgelegt wird und danach einer späteren
Überprüfung nicht zugänglich ist. Dadurch ggf. entstehende Ungenauigkeiten sind
der Natur des Zuteilungssystems geschuldet und müssen von den Klägerinnen im
Interesse eines funktionierenden Handelssystems und zur Einhaltung der
Klimaschutzziele hingenommen werden.
Darüber hinaus war die zuzuteilende
Gesamtmenge von 495 Mio. Tonnen Kohlendioxid jedenfalls faktisch bereits dadurch
überschritten, dass die entsprechenden Berechtigungen auf die Betreiberkonten
gebucht wurden und die Zuteilung der Kommission gemäß mitgeteilt wurde. Dies war
den Klägerinnen aufgrund der verschiedenen Veröffentlichungen der Beklagten und
der öffentlichen Zugänglichkeit der Register auch bekannt.
Da es nach der
Rechtsauffassung des Gerichts aus den angeführten Gründen nicht darauf ankommt,
ob aus heutiger Sicht sämtliche 1849 Zuteilungsentscheidungen „richtig“ in dem
Sinne waren, als eine Zuteilung zum jetzigen Zeitpunkt identisch ausfiele,
gebietet es die nach § 86 Abs. 1 VwGO bestehende Amtsermittlungspflicht auch
nicht, dass das Gericht –ggf. wie von den Klägerinnen vorgeschlagen, mit Hilfe
einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft oder Anwaltskanzlei- die „Richtigkeit“
sämtlicher 1849 Zuteilungsentscheidungen zu überprüfen hat. Unabhängig von den
praktischen Schwierigkeiten und dem Aufwand, den eine solche Komplettprüfung
erforderte und welcher bereits die Frage nach der Zumutbarkeit der geforderten
Amtsermittlung aufwirft (vgl. dazu Kopp/ Schenke, § 86, Rdnr. 5), könnten zum
einen bestandskräftige Zuteilungsentscheidungen nicht ohne weiteres im hiesigen
Verfahren zur Überprüfung gestellt werden (vgl. Kopp/Schenke, § 86, Rdnr. 2
m.w.N.). Darüber hinaus befindet sich eine weitere Vielzahl von
Zuteilungsanträgen derzeit noch im Widerspruchsverfahren, so dass auch in diesem
Fall keine endgültige Überprüfung möglich wäre. Schließlich könnte eine
Überprüfung der einzelnen Zuteilungsentscheidungen durch das Gericht objektiv
keine höhere Richtigkeitsgewähr bieten, da auch diese –zumindest vor einer
rechtskräftigen Entscheidung- lediglich eine wiederum angreifbare
Rechtsauffassung darstellte. Insoweit würde es im Laufe der Instanzen zu einer
unendlichen Iteration durch permanente Neuberechnung des Faktors kommen. Ein
solcherart ausuferndes juristisches perpetuum mobile wollte der Gesetzgeber mit
§ 4 Abs. 4 ZuG 2007 nicht schaffen.
Der auf diese Weise von der
zuständigen Behörde vor Erlass der eigentlichen Zuteilungsentscheidung
ermittelte Kürzungsfaktor ist auch nicht flexibel in dem Sinne, als dass er
durch spätere Veränderungen der Zuteilungsmenge, etwa durch Entscheidungen im
Widerspruchsverfahren oder im Rahmen verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen,
während der Zuteilungsperiode ständig angepasst werden müsste (so aber Kobes in:
Elspas/Salje/Stewing: Emissionshandel, Kapitel 19, Rdnr. 97 ff.). Etwaige
nachträgliche Veränderungen lassen die Rechtmäßigkeit der anteiligen Kürzung und
die Höhe des Kürzungsfaktors in den angegriffenen Bescheiden unberührt und
führen nicht dazu, dass der sog. zweite Erfüllungsfaktor neu berechnet werden
müsste. Zum einen ist weder aus dem Gesetz, noch sonst ersichtlich, auf welche
Weise nachträgliche Veränderungen der verteilten Menge an Berechtigungen
berücksichtigt werden könnten bzw. müssten. Die vorliegende Situation ist
insoweit auch nicht mit klassischen Kontingent-Konstellationen, wie etwa dem
Hochschulzulassungsrecht vergleichbar, bei denen nachträgliche Veränderungen in
der Regel zu einem Anspruch auf weitere Ausschüttung des kontingentierten Gutes
führen. Im Unterschied zu sonstigen grundrechtstangierenden Budgetentscheidungen
ist eine Maximalauslastung der Kapazitäten im Emissionshandelsrecht
verfassungsrechtlich schon deshalb nicht zwingend geboten, weil die Einführung
des Emissionshandelssystems die Verknappung von CO2-Ausstoßrechten als Ziel hat
und die anteilige Kürzung des § 4 Abs. 4 ZuG 2007 eben keine
Ultima-Ratio-Funktion erfüllt. Im Übrigen wird die Grundrechtsausübung der
Eigentums- und Berufsfreiheit durch die Anwendung der anteiligen Kürzung in
keiner Weise vereitelt. Der Anlagenbetreiber ist lediglich gehalten, seine
CO2-Emissionen zu reduzieren oder auf dem Markt zusätzliche Berechtigungen zu
erwerben. Insoweit kann die Einführung des Emissionshandels statt mit einer
Kontingentierung eher mit der Einführung einer Steuer verglichen
werden.
Darüber hinaus könnte ein flexibler zweiter Erfüllungsfaktor
stets nur eine Momentaufnahme darstellen und wäre einer ständigen Veränderung
unterworfen. Diese Veränderung wiederum hinge jeweils u.a. davon ab, ob eine
Rücknahmeentscheidung, welche das Budget anschwellen und den Erfüllungsfaktor
schrumpfen ließe, bereits bestandskräftig ist. Eine solcher „Tageskurs“
entspricht erkennbar nicht dem Konzept des Zuteilungssystems und würde unter
Aufhebung jeder Planungssicherheit für die Anlagenbetreiber zu einer
ungewünschten Destabilisierung des Zertifikat-Marktes führen.
VI. Da
die angegriffenen Zuteilungsbescheide aus den angeführten Gründen rechtmäßig
sind und die anteilige Kürzung des § 4 Abs. 4 ZuG 2007 nicht zum wiederholten
Male berechnet werden muss, steht den Klägerinnen schließlich auch kein Anspruch
auf Neubescheidung ihrer Zuteilungsanträge zu.
Die Kammer geht jedoch
davon aus, dass eine Ausschüttung „überschüssiger“, d.h. an die Beklagte
zurückgeflossener Berechtigungen zur Wahrung der Rechtsschutzinteressen der
Klägerinnen rechtlich zulässig und rechtspolitisch geboten sein dürfte. Eine
solche Nachverteilung mag zwar für die Beklagte mit einem gewissen logistischen
Aufwand und praktischen Schwierigkeiten verbunden sein; mit Blick auf das
Rechtsschutzinteresse der Klägerinnen und anderer betroffener Anlagenbetreiber
erscheint dies jedoch hinnehmbar. Eine erneute Auskehr von zurückgeflossenen
Berechtigungen stellt letztlich eine Form der Folgenbeseitigung dar, welche im
Rahmen eines eigenständigen neuen Verfahrens angestrebt werden müsste. Im
vorliegenden Verfahren könnte der Anspruch nicht durchgesetzt werden, da zum
einen wegen des für die Kürzung maßgeblichen Zeitpunktes die ursprüngliche
Zuteilungsentscheidung rechtmäßig ist und die Sache darüber hinaus derzeit nicht
spruchreif ist. Wie aufgrund der Antwort der Beklagten vom 20. März 2006 auf den
gerichtlichen Auflagenbeschluss vom 24. Februar 2006 erkennbar geworden ist,
stehen zum jetzigen Zeitpunkt keine Berechtigungen zur Verteilung an die
Klägerinnen zur Verfügung.
Inwieweit es zu einem späteren Zeitpunkt zu
einer Nachverteilung kommen kann, kann derzeit nicht beurteilt werden. Denkbar
wäre beispielsweise die Ausschüttung zu bestimmten Stichtagen, die etwa nach der
jährlichen Emissionsberichterstattung liegen könnten. Ob eine derartige
Folgenbeseitigung erst am Ende oder gar nach Ablauf der Zuteilungsperiode
möglich ist, da erst zu diesem Zeitpunkt sicher feststehen wird, wie viele
Berechtigungen tatsächlich an die Beklagte zurückgeflossen sind, und inwieweit
dann etwaige Rechtsanwendungsfehler durch die Beklagte, welche zu einer im
Nachhinein unnötig erscheinenden anteiligen Kürzung geführt hätten, einen
Schadenersatzanspruch der betroffenen Anlagenbetreiber auslösen könnten, kann
jedoch im vorliegenden Verfahren dahinstehen.
Einer Ausschüttung
zurückgeflossener Berechtigungen an die von der Kürzung betroffenen
Anlagenbetreiber steht jedenfalls zunächst nicht, wie die Beklagte meint,
entgegen, dass eine solche Nachverteilung weder im TEHG, noch im ZuG 2007
explizit vorgesehen ist. Die Gewährung einer zusätzlichen Begünstigung für die
Anlagenbetreiber bedarf keiner ausdrücklichen gesetzlichen
Grundlage.
Zwischen den Verfahrensbeteiligten ist unstreitig, dass es im
Rahmen der Bearbeitung der ursprünglichen Zuteilungsentscheidungen zu
Fehlallokationen gekommen ist, welche bei einzelnen Anlagenbetreibern zu
überhöhten oder zu geringen Zuteilungen geführt und den Kürzungsfaktor gemäß § 4
Abs. 4 ZuG 2007 beeinflusst haben. Aufgrund des Rechtsstaatsprinzips und gemäß §
11 TEHG ist die zuständige Behörde verpflichtet, die Richtigkeit der
Zuteilungsentscheidungen nachträglich zu überprüfen. Bestehen Anhaltspunkte für
eine unrichtige Entscheidung und stellt sich diese als rechtswidrig heraus, so
hat die Beklagte nach den allgemeinen Regeln des § 48 VwVfG den
Zuteilungsbescheid insoweit zurückzunehmen. In diesem Zusammenhang ist es
irrelevant, ob die ursprüngliche Entscheidung auf falschen Angaben des
Anlagenbetreibers beruhte oder aufgrund eines Rechtsanwendungs- oder sonstigen
Fehlers bei der Behörde falsch war.
Weder das ZuG 2007, noch das TEHG
sehen vor, wie mit solchen zurückfließenden Berechtigungen außerhalb der
Ex-Post-Kontrolle (z.B. nach § 8 Abs. 4 ZuG 2007) zu verfahren ist. Wenn der
Zuteilungsanspruch der Anlagenbetreiber gemäß § 4 Abs. 4 ZuG 2007 aufgrund von
fehlerhaften Überallokationen gekürzt wurde, so erscheint es aus Gründen des
Lastenausgleichs gerechtfertigt, die nachträglich zurückgeflossenen
Berechtigungen wiederum dem Budget zuzuführen, dem sie ursprünglich zu Lasten
der von der Kürzung betroffenen Anlagenbetreiber entnommen wurden. Anderenfalls
gingen diese Berechtigungen dem Markt ohne Ausgleich verloren. Zwar führte dies
zu einer Verstärkung des vom Gesetzgeber erstrebten Verknappungseffekts. Bei der
Schaffung des Zuteilungssystems waren jedoch auch die Interessen der betroffenen
Wirtschaftskreise zu berücksichtigen. Bereits die Existenz der anteiligen
Kürzung gemäß § 4 Abs. 4 ZuG 2007 verdeutlicht, dass es dem Gesetzgeber gerade
nicht um eine maximale Verknappung der Berechtigungen, sondern um eine
weitestgehende Ausschöpfung der Verteilungsmenge ging. Da das ZuG 2007 weiterhin
nicht vorsieht, dass zurückfließende Berechtigungen automatisch gelöscht werden
oder der Neuanlagenreserve zufließen sollen, ist davon auszugehen, dass diese
auch nach Rückfluss für eine Verteilung zur Verfügung stehen und dem Markt nicht
entzogen werden sollen. Die von der Beklagten favorisierte analoge Anwendung von
§ 6 Abs. 2 ZuG 2007, wonach bestimmte, im Rahmen der Ex-Post-Kontrolle
widerrufene Berechtigungen der Reserve für Neuanlagen zufallen, verkennt, dass
die vorliegende Regelungslücke nicht planwidrig sein dürfte. Zum einen
differenziert die Norm deutlich zwischen den verschiedenen Widerrufsgründen.
Hätte der Gesetzgeber schlicht alle zurückfließenden Berechtigungen der
Neuanlagenreserve unterstellen wollen, so hätte er auf diese detaillierten
Unterscheidungen verzichten können.
Die zurückfließenden Berechtigungen
sind auch nicht wegen Art. 38 Abs. 3 RegV (Verordnung EG Nr. 2216/2004 der
Kommission vom 21. Dezember 2004) zwingend zu löschen. Zum einen handelt es sich
bei der Verteilung der Berechtigungen im Einzelnen um eine Materie, die dem
nationalen Gesetzgeber zugewiesen ist. Zum anderen ist Regelungsgegenstand der
RegV lediglich die registerrechtliche Handhabung der Berechtigungen, nicht
jedoch materiell-rechtliche Aspekte der Zuteilung. Schließlich betrifft Art. 38
Abs. 3 RegV nur diejenigen Fälle, in denen es nach einer von der Kommission
genehmigten Korrektur der nationalen Zuteilungstabelle zu einer Reduzierung der
zu verteilenden Gesamtmenge kommt. Die Frage, ob es zu einer solchen Korrektur
„nach unten“ in jedem Fall bei zurückfließenden Berechtigungen kommen muss,
beantwortet die RegV naturgemäß nicht. Dass nicht alle zurückgegebenen
Berechtigungen automatisch zu löschen sind, ergibt sich im Übrigen
beispielsweise aus Art. 41 RegV, wonach unter bestimmten Umständen
zurückgegebene Zertifikate auf dem Konto der Vertragspartei
verbleiben.
Darüber hinaus bestehen auch im Hinblick auf das der
Richtlinie 2003/87/EG vermeintlich innewohnende Verbot der Ex-Post-Korrektur
keine Bedenken gegen eine Nachverteilung zurückgeflossener Berechtigungen.
Zunächst führte eine Nachverteilung nicht zu einer Erhöhung der Gesamtmenge der
zu verteilenden Berechtigungen. Weiterhin gefährdete eine solche nachträgliche
Ausschüttung auch nicht die Entstehung und Stabilität des Zertifikat-Marktes, da
sie die Liquidität allenfalls stärken könnte (vgl. dazu 1.3).
Eine
Nachverteilung der zurückgeflossenen Berechtigungen muss nach Auffassung der
Kammer folgende Aspekte berücksichtigen: zum einen darf sie nur bestandskräftige
Widerrufs- oder Rücknahmeentscheidungen bzw. die freiwillige Rückgabe von
Berechtigungen in die Nachverteilung einbeziehen. Weiterhin muss die Widerrufs-
oder Rücknahmeentscheidung insoweit vollzogen sein, als die Berechtigungen
tatsächlich durch Umbuchung an die Konten der Beklagten zurückgegeben worden und
auf dem nationalen Vertragskonto tatsächlich verfügbar sind. Bloße zu erwartende
Rückflüsse oder Verfahren, in denen die Rückgabe streitbefangen ist, stehen zur
Ausschüttung nicht zur Verfügung, da sonst die Gefahr einer Überschreitung der
insgesamt zu verteilenden Menge von 495 Mio. oder der Notwendigkeit des nicht
vorgesehenen Zukaufs von Berechtigungen durch die Beklagte bestünde.
Aus
dem gleichen Grunde darf die Beklagte bei der Auskehr der Berechtigungen eine
Saldierung vornehmen, welche etwaige fehlerhafte Minderallokationen
berücksichtigt und diese gegen die Rückflüsse aufrechnet. Dies erscheint schon
deshalb sinnvoll und notwendig, weil die ursprüngliche Einbeziehung dieser
Berechtigungen zu einer weiteren Belastung der Gesamtmenge und damit zu einer
Verschärfung des Kürzungsfaktors geführt hätte. Es ist nicht ersichtlich, warum
die Anlagenbetreiber durch Zuteilungsfehler zu ihren Gunsten besser gestellt
werden sollten. Einen Zukauf durch die Beklagte sieht das Gesetz nur
ausnahmsweise in § 6 Abs. 3 ZuG 2007 vor. Der Gefahr eines späteren negativen
Saldos nach einer erfolgten Nachverteilung könnte unter anderem durch die
Aufnahme von Widerrufsvorbehalten in die Nachverteilungsentscheidungen begegnet
werden.
Auch eine Kompensation sämtlicher von der anteiligen Kürzung
betroffener Anlagenbetreiber durch Nachverteilung der im Rahmen der
Ex-Post-Kontrolle von den Optionsanlagen zurückgeflossenen Berechtigungen ist
nicht ausgeschlossen. Die Ergebnisse der Emissionsberichterstattung haben
gezeigt, dass die Optierer größtenteils im Rahmen der ursprünglichen
Zuteilungsentscheidung aufgrund stark überhöhter Produktionsprognosen deutlich
mehr Berechtigungen erhalten haben, als ihnen tatsächlich zustehen. Da die
anteilige Kürzung gemäß § 4 Abs. 4 ZuG 2007 wohl überhaupt erst wegen der großen
Inanspruchnahme der Optionsregelung und der hohen Produktionsprognosen der
Optionsanlagen erforderlich geworden war, muss eine Nachverteilung einen
Ausgleich zugunsten der sonstigen von der Kürzung betroffenen Anlagen schaffen.
Zwar sieht § 6 Abs. 2 ZuG 2007 vor, dass diejenigen Berechtigungen, welche
aufgrund von Widerrufsentscheidungen gemäß §§ 8 Abs. 4 und 11 Abs. 5 ZuG 2007
zurückgeflossen oder nicht ausgegeben worden sind, der Neuanlagenreserve
zufließen. Zwar richtet sich gemäß § 7 Abs. 12 Satz 1 ZuG die Zuteilung bei den
Optionsanlagen nach § 11 ZuG 2007; allerdings sieht § 7 Abs. 12 Satz 2 ZuG 2007
vor, dass § 6 ZuG 2007 keine Anwendung findet. Eine rein am Wortlaut orientierte
Auslegung muss zu dem Ergebnis kommen, dass dies § 6 ZuG 2007 in Gänze und
nicht, wie die Beklagte annimmt, lediglich § 6 Abs. 1 ZuG 2007
betrifft.
Dies wird durch eine teleologische Auslegung gestützt: die
Optionsanlagen bleiben, wie oben ausgeführt, ihrer Natur nach Bestandsanlagen,
auf welche die anteilige Kürzung angewandt wird und welche, im Gegensatz zu den
„echten“ Neuanlagen nach § 11 ZuG 2007 in die nach § 4 Abs. 4 ZuG 2007 zu
berechnende Gesamtmenge von 495 Mio. Tonnen einbezogen werden. Stellt sich im
Nachhinein heraus, dass die Produktionsprognosen der Optierer überhöht waren und
diese im Rahmen der Ex-Post-Korrektur Berechtigungen abgeben müssen, so findet
eine durch nichts zu rechtfertigende Lastenumverteilung zu Ungunsten der
Bestandsanlagen und zu Gunsten der Neuanlagenreserve statt. Eine unendliche
Speisung der Reserve nach § 6 ZuG 2007 mit Berechtigungen hat der Gesetzgeber
gerade nicht angestrebt: für den Fall, dass diese nicht ausreichen sollte, ist
explizit der Zukauf von Berechtigungen durch die Beklagte
vorgesehen.
Bislang ist allerdings der Großteil der in Rede stehenden
Berechtigungen nicht an die Beklagte zurückgeflossen, weil im Zeitpunkt der
letzten mündlichen Verhandlung noch keine Widerrufsentscheidung nach § 8 Abs. 4
ZuG 2007 ergangen ist. Da diese Ex-Post-Korrektur derzeit noch Gegenstand eines
Klageverfahrens der Beklagten vor dem Europäischen Gericht erster Instanz ist,
ist nicht absehbar, ob und wann die erforderlichen Widerrufsentscheidungen
ergehen werden, inwieweit diese Bestandskraft erlangen werden und die
Berechtigungen tatsächlich an die Beklagte zurückgebucht werden.
VII.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708
Nr. 11, 711 ZPO (bzw. § 709).
Gemäß §§ 124 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, 124 a
Abs. 1 Satz 1 VwGO war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache die
Berufung zuzulassen. Aus dem gleichen Grunde wird gemäß §§ 134 Abs. 1, Abs. 2
i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 die Sprungrevision
zugelassen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den
Beteiligten entweder die Berufung oder bei schriftlicher Zustimmung aller Kläger
und Beklagten die Revision zu.
Die Berufung ist bei dem
Verwaltungsgericht Berlin, Kirchstraße 7, 10557 Berlin, innerhalb eines Monats
nach Zustellung des Urteils einzulegen.
Die Berufung ist innerhalb von
zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründung ist,
sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Hardenbergstraße 31, 10623 Berlin,
einzureichen.
Die Revision ist bei dem Verwaltungsgericht Berlin,
Kirchstraße 7, 10557 Berlin, innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils
einzulegen. Die Revisionsfrist ist auch gewahrt, wenn die Revision innerhalb der
Frist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig,
schriftlich oder in elektronischer Form nach Maßgabe der Verordnung über den
elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim
Bundesfinanzhof vom 26. November 2004 (BGBl. I S. 3091) eingelegt wird. Die
Zustimmung zu der Einlegung der Revision ist der Revisionsschrift beizufügen
oder innerhalb der Revisionsfrist nachzureichen.
Die Revision ist
innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils zu begründen. Die
Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig,
schriftlich oder in elektronischer Form einzureichen.
Für das
Berufungsverfahren und das Revisionsverfahren besteht Vertretungszwang; dies
gilt auch für die Einlegung der Berufung und für die Einlegung der Revision.
Danach muss sich jeder Beteiligte, soweit er einen Antrag stellt, durch einen
Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des
Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten
vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden
können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt
sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte
oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde
oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied
zugehören, vertreten lassen.